Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Utensilien auf dem Dachboden entdeckt hatte, vom Staub befreit und - ebenfalls mit einem Trauerflor versehen - auf dem Kaminsims aufgestellt. Es zeigte einen schneidigen Herrn in mittleren Jahren und trug auf der Rückseite die geheimnisvolle Aufschrift "Don Diego", was Hazel und Jeremy zu der kichernden Vermutung veranlasste, es handle sich um einen von Lady Irvins stillen Verehrern.
So waren sie bald einen Monat lang in London untergetaucht, als Hazel eines Mittags in ihrer Jungenkleidung von einem ihrer Erkundungsgänge durch die Stadt zurückkehrte und in angenehmster Laune in die Jermyn-Street, in der ihr Haus stand, einbog. Sie war nur ein paar Schritte gegangen, als in geringer Entfernung vor ihr auf der Straße eine wohlbekannte Gestalt auftauchte. Hazel erstarrte.
Oh verflucht – Hayward!
Im selben Moment hatte er sie entdeckt. Hazel drehte sich um und rannte um die Ecke. Sie brauchte sich nicht nach ihm umzusehen: sie konnte seine Schritte auf dem Pflaster hinter sich deutlich näher kommen hören. Er war verdammt schnell.
Sie witschte in eine enge Gasse, bog gleich in die nächste ab und hastete in einen Hauseingang, an dessen Ende - wie bei dieser Sorte Häuser üblich - der Ausgang zum Hinterhof lag.
Sie drückte die Klinke - die Tür war verschlossen!
Sie rüttelte und warf sich dagegen – die Tür blieb zu.
Natürlich hatte sie sich durch diesen Lärm auch noch die Gelegenheit genommen unbemerkt zu bleiben.
Hayward war bereits in den Flur getreten, es gab also keinen Ausweg mehr. Resigniert gab sie ihre Versuche, die Tür zu öffnen, auf. Sie hörte seine Schritte auf den harten Steinplatten abbremsen und langsamer näher kommen. Sie seufzte innerlich auf, drehte sich entschlossen zu ihm um, zog ihren Degen, hielt die Degenspitze zu Boden gerichtet und erwartete ihn in betont lässiger Haltung.
Er ließ seinen Degen durch die Luft sausen und betrachtete angelegentlich dessen polierte Klinge.
"Wo waren Sie neulich Abend?", fragte er ruhig, wandte den Kopf und blickte sie direkt an. "Ich habe auf Sie gewartet."
"Ich konnte nicht kommen."
"Warum nicht?"
"Sie hatten die Einladung an die Bedingung geknüpft, dass ich in angemessener Kleidung erscheine. Nun - ich hatte nichts Passendes anzuziehen", erwiderte sie schnippisch.
"Sie hätten sich doch einfach bei Ihrer ... Schwester bedienen können."
Und die Art, wie er vor "Schwester" gezögert und das Wort betont hatte, ließ in Hazel die schreckliche Ahnung aufkeimen, dass er auch Jeremys Verkleidung womöglich längst durchschaut hatte.
"Ich gebe Ihnen noch eine zweite Chance", sagte er. "Aber natürlich wird jetzt der Einsatz höher. In drei Tagen gibt meine Mutter nämlich hier in London einen Tanzabend. Ich hatte vor, Sie zunächst im kleineren Rahmen in die Gesellschaft einzuführen, aber da Sie das abgelehnt haben, müssen Sie jetzt wohl gleich ins kalte Wasser springen."
"Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich unter diesen Umständen kommen werde?"
"Weil ich Sie dazu zwingen werde."
Sie lachte. "Und wie wollen Sie das wohl anstellen?", meinte sie süffisant.
"Ganz einfach. Ich werde Sie abends um halb acht persönlich mit meiner Kutsche abholen und wenn Sie zu diesem Zeitpunkt nicht passend angezogen sind, werde ich Sie eben so, wie Sie sind, mit roher Gewalt in die Kutsche zerren und auf den Ball schleifen."
"Sie wissen nicht mal, wo ich wohne", erwiderte sie überlegen.
Er schob die Unterlippe vor, als müsse er ernsthaft nachdenken. "Ich vermute mal, in der Stadtwohnung von Lady Irvin", meinte er, als sei dies das Ergebnis seiner Schlussfolgerungen (und nicht das, was Lady Irvin ihm bereitwillig ausgeplaudert hatte).
Hazel fluchte innerlich. "Und wenn ich gar nicht zu Hause bin?"
"Dann werde ich noch am selben Abend Ihr kleines Geheimnis in der ganzen Stadt herumposaunen. – Sie sehen, ich habe Sie völlig in der Hand."
Hazel musterte ihn grimmig. "Sie haben gar nichts!", erwiderte sie verbissen.
Hayward lachte. "Kommen Sie!", meinte er gut gelaunt. "Gehen wir was essen."
"Das können Sie sich abschminken!", zischte sie.
"Apropos abschminken", meinte er und schnupperte ostentativ an ihr. "Was ist das für ein Zeug, mit dem Sie sich da eingesprüht haben?"
"Das ist Rasierwasser", meinte Hazel, blickte sich etwas betreten um, ob vielleicht jemand in Hörweite stünde, und fügte mit gesenkter Stimme hinzu: "Mir schien es geraten Rasierwasser zu benutzen, weil man dann glaubt, ich würde mich rasieren."
Hayward warf
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