Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
ich halte sie eher für eine Italienerin. Er hat mindestens zwei Kinder, eine Tochter, höchstens zwanzig, und einen etwas jüngeren Sohn, sechzehn vielleicht. Er hat seine Fechtkünste an sie weitergegeben, was dafür spricht, dass er selbst gut fechten konnte und vermutlich über einige Zeit bei di Lago Unterricht hatte. Er ist gewiss kein Angehöriger des Hochadels, vielleicht gar nicht von Adel, aber er muss einigermaßen wohlhabend sein, denn die Familie hat in der gehobeneren Gesellschaft verkehrt und verfügt über vornehme Kleidung. Jetzt sind sie allerdings mittellos, denn der Mann, dessen Namen ich herausfinden möchte, ist verstorben, vermutlich innerhalb der letzten Monate. Seine Witwe hat mit den beiden Kindern eine möblierte Wohnung in London gemietet. Sie halten sich, ich weiß nicht wie, über Wasser, möglicherweise mit dem Verkauf von Familienschmuck, denn die Damen sind eher spärlich damit ausgestattet. Ihr früherer Wohnsitz war aber auf keinen Fall in London, sondern irgendwo auf dem Land, und zwar weiter von London entfernt als eine bequeme Tagesreise."
Weathers grinste. "Das ist recht viel dafür, dass Sie nichts von ihm wissen. Sie scheinen mit der Familie sogar zu verkehren. Wäre es nicht einfacher, Sie geben mir Namen und Adresse und ich frage ein bisschen herum?"
"Nein, das will ich auf keinen Fall! Ich bin mir sicher, dass die Familie unter falschem Namen lebt und recht empfindlich darauf reagieren wird, wenn ihr zu Ohren kommen sollte, dass man sich heimlich nach ihnen erkundigt. Außerdem würde ihr Verdacht dann – fürchte ich – ziemlich schnell auf mich fallen. Und das muss auf jeden Fall vermieden werden."
"Wie Sie meinen. Mit diesen Angaben hier wird es auch zu machen sein. Wie dringend ist der Auftrag? Wenn es nicht so eilt, kann ich die billigeren Kutschen nehmen, wenn es schnell gehen soll, muss ich mir Billetts bei der Schnellen Post besorgen."
Hayward brauchte nicht lange zu überlegen. "Ich brauche die Auskunft so schnell wie möglich."
Mr. Weathers nahm ein Blatt Papier aus seinem Schreibtisch, griff nach dem Bleistift, der auf der Tischplatte bereit lag, leckte ihn an und machte eine Auflistung der voraussichtlichen Kosten. Er rechnete die einzelnen Posten zusammen, während sich seine Zunge unbewusst zwischen seinen halb geöffneten Lippen hin- und herbewegte, und schob Hayward das Blatt hin. "Wegen meiner Auslagen muss ich Sie bitten, mir die Hälfte anzuzahlen. Die andere Hälfte wird fällig, wenn ich zurück bin. Dann weiß ich ja auch erst die exakte Summe. Und um alle Missverständnisse auszuschalten: diese Unkosten entstehen mir ja auf alle Fälle, das heißt, wenn ich Ihnen so schnell wie möglich die Liste bringe, ist mein Auftrag erfüllt. Ich werde natürlich versuchen, den Namen des Mannes ausfindig zu machen, aber wenn das unerwartet schwierig sein sollte, werde ich Sie ebenfalls direkt nach meiner Heimkunft aufsuchen, um weiteres abzusprechen."
"Einverstanden."
"Es ist erst Vormittag. Wenn Sie mir das Geld in den nächsten Stunden zukommen lassen, kann ich noch heute abreisen."
Hayward zog seine Brieftasche, die er in weiser Voraussicht gut gefüllt hatte, und legte Mr. Weathers die verlangte Summe auf den Tisch.
Mr. Weathers bedankte sich bei ihm, stellte ihm eine Bescheinigung aus, dass er das Geld erhalten hatte, und begleitete Hayward zur Tür.
"Ich melde mich dann bei Ihnen", verabschiedete er sich.
Als er aus schon aus der Türe war, drehte Hayward sich nochmals um, weil ihm etwas einfiel. "Ein Moment. Ich habe Ihnen noch überhaupt nicht meinen Namen und meine Adresse gesagt."
Mr. Weathers lächelte. "Ich weiß, wo Sie wohnen, Lord John Hayward", sagte er.
Hayward war einen Moment verblüfft, dann grinste er. "Gute Reise, Mr. Weathers", wünschte er ihm. "Sie haben mich soeben davon überzeugt, dass mein Geld bei Ihnen gut angelegt ist."
Im Stadthaus von Lady Irvin hatte seit Jeffersons Eintreffen eine unmerkliche Veränderung stattgefunden, was nicht nur damit zusammenhing, dass Jefferson die Meldung mitgebracht hatte, dass in einigen Tagen vielleicht eine Schiffsüberfahrt in die Niederlande möglich sei. Die Familie beschloss daher durchzuhalten und auf Haywards Forderung einzugehen.
Kaum hatte am Freitag Abend die Turmuhr halb acht geschlagen, läutete es an der Vordertür. Hazel lauschte hinunter und konnte Haywards klare Stimme hören: "Ist Miss Viola Hawthorne zu Hause?"
"Jawohl, Mylord", antwortete Jefferson, "wenn
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