Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
sich’s in seiner Fantasie vorgestellt hat."
"Sie scheinen sich gut auszukennen", spöttelte Hazel. "Trotzdem scheint das intime Spektakel bei den Herren gut anzukommen."
"Der Hauptgrund ist, dass sie mit den Mädchen Verabredungen treffen."
"Verabredungen?", fragte Hazel irritiert.
Kirby drehte die Augen zur Decke. "Matthew!", sagte er.
"Oh", fiel bei Hazel der Groschen. "Verabredungen dieser Art." Das hätte sie sich eigentlich gleich denken können. Sie runzelte die Stirn. "Madame Delacroix sucht angestrengt nach den Mädchen, bringt ihnen in monatelanger Arbeit bei, wie sie sich vornehm zu bewegen und zu geben haben, nur damit sie nachher gegen Geld oder teure Geschenke mit Männern ins Bett gehen? Die Ärmsten! Diese ganze Sache muss einigermaßen widerlich für sie sein."
"Sie irren sich", meinte Kirby, "die Plätze bei Madame Delacroix sind von den Mädchen heiß begehrt. Nur die schönsten werden genommen und ausgebildet. Dabei sind ihre Herkunft und ihr Stand völlig uninteressant. Einige soll Madame noch als halbe Kinder aus der Gosse geholt haben. Für etliche Mädchen aus der untersten Schicht ist es ein Sprungbrett in eine vornehme Welt." Er warf Hazel einen forschenden Blick zu. "Und ich könnte mir vorstellen, dass es für das ein oder andre Mädchen ein erregendes Gefühl ist, so viel Macht über Männer zu haben."
"Erregend?", fragte Hazel. "Was soll daran erregend sein?"
"Dass man plötzlich feststellt, dass die anderen genau das tun, was man möchte. Man schaut ihnen in die Augen und schon verlieren sie den Verstand, sie sind die willfährigsten Diener und die ergebensten Sklaven, man hat sie in der Hand und dabei muss man nicht einmal Zwang ausüben, sie tun es ganz freiwillig und nur für ein Lächeln oder ein süßes Versprechen. Und dann dieser kleine Reiz, auszuprobieren, wie weit man gehen kann, um den anderen zu manipulieren."
"Erstaunlich, wie klarsichtig Sie sich selbst beschreiben können", bemerkte Hazel zynisch.
" Sie kennen dieses Gefühl natürlich noch nicht", erwiderte Kirby spöttisch.
Hazel hielt seinem Blick stand.
"Warum sind Sie eigentlich nicht längst hinter dieser Tür verschwunden?", fragte sie honigsüß.
Kirby lächelte. "Ich bin nicht wegen dieser Mädchen gekommen", sagte er mit tiefem Blick in Hazels Augen. "An einer schnellen Nacht ohne Konsequenzen bin ich nicht interessiert."
Hazel hob die Augenbraue. "Tatsächlich? Das überrascht mich allerdings."
"Außerdem widerstrebt es mir, ein Mädchen mit so vielen anderen Männern teilen zu müssen."
"Verstehe", gab Hazel zynisch zurück, "schon wegen der Filzläuse."
Er grinste.
"Was stellen Sie sich also vor?", fragte sie.
"Ich habe in der Stadt ein Appartement. Sie bekommen den Schlüssel und wir können uns dort treffen, wann immer Sie Lust haben."
"Oder nicht viel eher: wann immer Sie Lust haben?", erwiderte Hazel mit Betonung.
Er lachte. "Sie sind frech!", stellte er fest. "Das gefällt mir!"
Hazel ließ sich in einen Sessel fallen und lehnte das Angebot, sich aus einer Schnupftabaksdose zu bedienen, die ihr ein Diener hinhielt, dankend ab. Als er mit einer leisen Verbeugung weiterging, bemerkte Hazel, dass es ein verdammt gutaussehender Bursche war, schöne, nicht zu herbe männliche Gesichtszüge, breite Schultern, schmale Hüften, ansehnliche Waden. Sie blickte ihm wohlwollend nach, bis ihr auffiel, dass Kirby dasselbe tat.
Sie erhob sich und schlenderte, da es ziemlich stickig war, aus dem Raum hinaus. Kirby folgte ihr. Im Flur war es einigermaßen leer, die Damen waren noch in den Rosensalons versammelt. Hazel blieb an einer der geöffneten Fenstertüren stehen. Kirby trat neben sie und stützte seine Ellbogen auf das Geländer. Unter ihnen erstreckte sich im Innenhof ein parkähnlicher Garten.
"Was erwarten Sie von Ihrem Leben?", fragte Kirby. "Sie werden eines Tages vielleicht irgendeinen Mr. Miller heiraten, ich stelle mir vor, er ist Notar, oder nein: Landarzt, ja auf dem Lande kann ich Sie mir gut vorstellen, er opfert sich auf für die Armen in der Bevölkerung und versucht ihnen vergeblich beizubringen, dass sie nicht aus demselben Bach saufen, in den sie pinkeln, und dass sie nicht so viele Rotznasen in die Welt setzen. Warum sollten Sie nicht, so lange dieser Mr. Miller noch nicht in Ihr Leben getreten ist, eine amüsante Episode in Ihren Lebenslauf einfügen?" Er richtete sich auf. "Oder ist dieser Mr. Miller etwa schon in Aussicht?"
"Nein, das nicht."
"Warum zögern Sie dann
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