Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
wieder auf das Haus zu – nur um wiederum, ohne es zu betreten, daran vorbeizugehen.
Am Ende der Straße hielt sie inne. Ein drittes Mal konnte sie nicht zurück, ohne Aufsehen zu erregen.
Hazel blinzelte in die diesige Sonne. Oh, verflucht! Hayward hatte Recht.
Ihr Zuhause lag am anderen Ende der Stadt, während das Stadthaus des Marquis of Wainwright hier ganz in der Nähe war.
Es machte keinen Sinn, die Entscheidung länger vor sich herzuschieben.
Im Bewusstsein, dass die paar Münzen in ihrer Tasche nicht für eine weitere Droschke ausreichen würden, schlug sie zu Fuß den Weg zu Kirbys Wohnung ein.
Schon als sie in seine Straße einbog, fiel ihr auf, dass kein einziger Bettler oder Straßenjunge zu sehen war – offenbar ließen es sich die Anwohner dieser Straße einiges kosten, jegliches störende Gesindel fernzuhalten.
An Kirbys Haus betätigte sie die Klingelschnur. Ein dezentes Glockenspiel ertönte. Kirbys Butler öffnete ihr. "Guten Tag. Ich bin Mrs. Shandelton", sagte Hazel. "Ist der Marquis of Wainwright zu sprechen? Er hat mir zugesagt für unseren Wohltätigkeitsbasar einige Gegenstände zu spenden."
"Einen Moment, ich werde nachsehen. Wenn Sie im kleinen Salon warten wollen?", gab der Butler formvollendet zurück.
Hazel folgte ihm in den kleinen Raum und nahm auf einem Stühlchen, das zu einer hübschen Sitzgruppe gehörte, Platz. Der helle Bezug trug ein kleines Muster aus stilisierten Tamarisken, zusammen mit dem rötlichen Ton des Kirschbaumholzes ergab es eine sehr dezente und elegante Wirkung. Ein ausgestopfter Fasan, der mitten in einem Arrangement auf einer kleinen Kommode thronte und sie mit seinen Glasäuglein argwöhnisch beäugte, leistete ihr beim Warten Gesellschaft.
Kurz darauf konnte sie Kirbys Schritte hören. Sie erhob sich, als er eintrat.
"Mrs. Shandelton", sagte er und neigte sich förmlich über ihre Hand. "Wie geht es Ihrem Gatten?"
Für eine Sekunde war sie verblüfft, dann fand sie in ihre Rolle zurück. "Leider gar nicht gut", seufzte sie.
"Es tut mir aufrichtig Leid, das zu hören", erwiderte er und schloss nachdrücklich die Tür. "Sie verstehen, wie es funktioniert", meinte er in verändertem Tonfall. "Absolute Diskretion auf beiden Seiten."
Er trat auf sie zu, fasste zärtlich ihre Hand und gab ihr einen echten Kuss darauf. Seine Lippen waren warm und weich. "Schön, Sie zu sehen", lächelte er, "aber damit bei Ihnen keine falschen Hoffnungen entstehen: das wird das erste und letzte Mal sein, dass Sie hierher kommen. Wir werden uns niemals hier treffen, immer nur im Appartement."
Dies war der Moment, in dem sie ihm den Schlüssel hätte zurückgeben und sagen müssen, dass sie ihre Meinung geändert hatte. Aber der Anblick seiner dunklen Augen machte es ihr plötzlich schwierig, ihm ihren Entschluss mitzuteilen.
"Aber wenn Sie schon einmal hier sind", fuhr er fort, "gehen wir rasch noch in die oberen Räume und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich dort vielleicht ein Möbelstück herumstehen habe, das Ihnen gefällt und das Sie gern in Ihrer neuen Wohnung haben möchten. Es wäre blödsinnig, einen Auftrag für einen Damensekretär zu geben und wochenlang zu warten, bis der Schreiner ihn fertig hat, wenn zufällig genau so ein Sekretär, wie Sie ihn sich vorstellen, hier bei mir zu Hause ungebraucht herumsteht."
Die ganze Sitzgruppe hier im Besuchersalon gefiel ihr ausnehmend gut und irgendwie fand sie plötzlich den Gedanken aufregend, herauszufinden, ob Kirbys Zuneigung zu ihr so weit ginge, dass er ihr tatsächlich das ganze Zimmer, so wie es war, überlassen würde – mit Ausnahme des Fasans natürlich.
"Werden Ihre Dienstboten uns bei einem Rundgang nicht sehen?", fragte sie.
"Sie sind ein Mitglied in einem Wohltätigkeitsverein und ich habe mich bereit erklärt, Ihnen einige kleine Stücke zur Versteigerung zu überlassen", grinste er. "Aber es wird uns niemand stören. Dienstboten, die herumlungern und spionieren, werden bei mir noch am selben Tag entlassen."
Er öffnete ihr die Tür und ließ sie vorangehen. Sie nahmen zuerst den Weg nach oben, eine weite, geschwungene Holztreppe mit schön geschnitztem Geländer. Im oberen Stockwerk gab es, ausgehend von einer Galerie, eine Reihe Salons, Herren- wie Damenzimmer. Kirby hatte tatsächlich Zettel und Stift dabei, um sich zu notieren, was Hazel gefiele.
Auf der Galerie fiel ihr ein erstklassig gemaltes Porträt auf, das an exponierter Stelle hing.
"Und wer ist das?"
"Meine Frau."
Hazel
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