Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
nach Bath zu fahren", erwiderte sie, "Sie würden Viola vermutlich gar nicht antreffen. Sie wissen ja, wie das ist: man ist in diesen Seebädern dauernd unterwegs, von der Trinkhalle zur Wandelhalle, von dort durch den Kurpark und zurück zum Pavillon. Und dann bekommt Viola natürlich ziemlich viele Anwendungen und muss ständig irgendwelche Wässerchen trinken."
"Wässerchen", bemerkte er, während ein leichtes Glitzern in seine Augen trat.
"Wässerchen", bestätigte Hazel beharrlich.
Er blickte nachdenklich auf ihren gesenkten Scheitel hinab.
"Ist es ein Abschied für immer?", fragte er ruhig.
"Ja", bestätigte Hazel mit erstickter Stimme, "für immer".
"Dann gibt es also gar keinen Grund, weshalb wir uns wiedersehen sollten?"
"Nein", brachte Hazel mit Festigkeit hervor, "gar keinen."
"Und wenn das so ist, warum müssen Sie dann weinen – Matthew?", sagte er leise und nicht ohne Spott.
"Das ist nur der Regen", erwiderte Hazel, wischte sich unwirsch mit dem Handrücken quer übers Gesicht und blickte trotzig zu ihm auf.
Sein Blick ruhte gedankenvoll auf ihr, und wahrhaftig lag in seinen braunen Augen so etwas wie ein warmes Gefühl, womöglich sogar ein Ausdruck von Zärtlichkeit, der Hazel überraschte.
Er neigte sich zu ihr und weil sie sich nicht rührte, ihn nicht zurückstieß, suchte er vorsichtig ihre Lippen und küsste sie sanft auf den Mund.
"Was immer Sie auch vorhaben", sagte er leise, "tun Sie’s nicht!"
Und er ging davon, ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen.
3. Kapitel
"Guten Morgen, Jefferson."
"Guten Morgen, Mylord."
"Ist Miss Viola zu sprechen?"
"Nein, tut mir Leid. Miss Hawthorne ist zur Erholung nach Bath gefahren."
"Dann sagen Sie Matthew, dass ich ihn gerne sprechen würde."
"Tut mir Leid, Mylord. Mr. Hawthorne hat seine Schwester begleitet."
Hayward senkte den Blick. "Hören Sie zu, Jefferson", meinte er in vertraulichem Ton, "ich weiß, dass Matthew niemanden sehen möchte. Aber es ist wichtig."
Dieser Tonfall veranlasste Jefferson, seine steife Förmlichkeit abzulegen und Lord John mit aufrichtigem Bedauern anzuvertrauen: "Mylord, Sie befinden sich im Irrtum, wenn Sie annehmen, dass Miss Viola und Master Matthew mir den Auftrag gegeben haben, sich verleugnen zu lassen. Sie sind wirklich nicht da. Und die Reise nach Bath hat keineswegs etwas damit zu tun, dass sie Sie nicht sehen wollen."
Hayward zögerte verblüfft. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Hazel London wirklich ohne ihre Familie verlassen würde, sondern geglaubt, sie wolle nur allen Einladungen aus dem Weg gehen. Hayward überlegte einen Moment, ob er Jefferson einfach beiseite drängen und ins Haus eindringen sollte, um Hazel aufzuspüren. Aber dann dachte er, es wäre zu peinlich, wenn Hazel tatsächlich nicht zu Hause sein sollte und er stattdessen Mrs. Hawthorne in nicht salonfähigem Zustand gegenüberstehen würde.
"Danke, Jefferson", sagte er. "Wissen Sie, wie lange sie bleiben wird?"
"Ich weiß es nicht genau. Soweit ich informiert wurde, waren vier Wochen im Gespräch - aber es ist durchaus möglich, dass Miss Violas Aufenthalt anschließend noch um einige Zeit verlängert wird."
Hazel war am Morgen in der Tat mit einer Droschke davongefahren, allerdings nicht zu einer der Poststationen, an denen die Kutschen nach Bath abgingen. Sie war bis Picadilly gefahren, hatte dort die Droschke gewechselt und sich zu der Wohnung in der Greenstreet bringen lassen, für die Kirby ihr den Schlüssel gegeben hatte. Sie war, angetan mit einem Häubchen aus dem Reservoir ihrer Mutter, ein paar Häuser vorher ausgestiegen und hatte versucht auszusehen wie eine verheiratete Mrs. Shandelton, deren Gatte im Sterben lag. Sie kam sich bei diesem Bemühen nicht sehr erfolgreich vor. Als sie das nämliche Haus erreicht hatte und die Fassade entlang hinauf blickte, befiel sie eine plötzliche Scheu, das Haus überhaupt zu betreten.
Haywards letzte Worte kamen ihr in den Sinn: "Was immer Sie auch vorhaben – tun Sie’s nicht." Verärgerung brach in ihr auf. Wie konnte er ihr diesen Ratschlag geben, dachte sie empört, ohne im mindesten zu wissen, worum es sich überhaupt drehte? Es gab ja keine andere Möglichkeit, Matthew Hawthorne sang- und klanglos verschwinden zu lassen. Und was ging Hayward, der sich selbst stets bedeckt hielt und ihr nur allzu offensichtlich seine Verlobte verschwiegen hatte, eigentlich ihr Leben an? Mit zunehmend wütender werdenden Schritten stapfte sie
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