Im Schatten dunkler Mächte
Warten endlich vorbei war. Der Schwebezustand hätte ein Ende. Und ich würde wissen, womit ich es zu tun habe, wie gut oder schlecht die Dinge wirklich stehen, ob ich aufatmen kann â ein Jahr war eine lange Zeit, in der ich mir überlegen konnte, was zu tun wäre â oder Angst haben muss. So oder so, ich hätte etwas Konkretes.
Das hatte ich nicht, was das Buch (die Bestie) betraf. Noch immer hatte ich keine Ahnung, wie ich es in die Hände bekommen konnte oder was ich damit anfangen sollte.
Konkretes hatte ich auch nicht, wenn es um Barrons oder Vâlane ging. Ich traute keinem von beiden.
Was alles noch schlimmer machte, war, dass ich jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster schaute oder aus dem Haus ging, der intensiven biologisch verankerten Pflicht widerstehen musste, Monster niederzumetzeln. Oder sie zu essen.
Rhino-Boys tummelten sich überall; sie sahen absurd aus in den Uniformen der städtischen Angestellten, deren Nähte sie beinahe sprengten und deren Knöpfe fast abflogen. Ihre Anwesenheit verursachte eine ständige leichte Ãbelkeit bei mir. Nach dem Erlebnis mitOâBannion widerstrebte es mir, meine »Lautstärke« herunterzudrehen, deshalb ging ich dazu über, Pepcid mit meinem Morgenkaffee einzunehmen. Ich hatte versucht, zu koffeinfreiem Kaffee zu wechseln, um meine Nerven und den Magen zu beruhigen. Ein monumentaler Fehler. Ich brauchte mein Koffein. Ohne hatte ich es nur einen Tag ausgehalten.
Irgendetwas musste auf der Strecke bleiben. Ich war eine zappelige, missmutige, launische Katastrophe.
Ich kann nicht sagen, wie oft ich in diesen endlosen, von Angst beherrschten Tagen entschieden hatte, Barrons zu vertrauen.
Dann verwarf ich diese Idee wieder zugunsten von Vâlane.
Ich erstellte lange Listen von Für und Wider und notierte alles fein säuberlich in drei Kolumnen in meinem Tagebuch; in einer Spalte zählte ich die »guten«, in der zweiten die »schlechten« und in der dritten die unklaren Aktionen der beiden auf. Die letzte Spalte war bei beiden die längste.
Irgendwann überredete ich mich sogar dazu, in den sauren Apfel zu beiÃen, Rowena meinen Speer zu geben und mich den Sidhe -Seherinnen anzuschlieÃen.
Ihre Anzahl allein bot eine gewisse Sicherheit; ich könnte die erdrückende Verantwortung, Entscheidungen treffen zu müssen, loswerden und an die GroÃmeisterin weitergeben. Wenn die Welt in Trümmer ging, wäre ich wenigstens aus dem Schneider. Das war die Mac, die ich kannte. Ich wollte nie Verantwortung tragen, sondern diejenige sein, die bemuttert wurde. Wie hatte ich mich nur in dieses Chaos manövriert, in dem ich mich plötzlich um alles kümmern musste?
Glücklicherweise war ich, als mich Rowena zurückrief,noch schlechter gelaunt als gewöhnlich und sie unfreundlich wie immer. Wir waren rasch an dem Punkt, auf den bisher jede unserer Unterhaltungen zugelaufen war, und ich kam zur Vernunft und gab vor, ich hätte nur angerufen, um mich zu vergewissern, dass sie den Orb bekommen hatte, da sie, als ich ihn vorbeigebracht hatte, nicht da gewesen war. Wenn du dich meldest, weil du Dankbarkeit erwartest, muss ich dich enttäuschen , hatte sie mich abgefertigt und aufgelegt. Das genügte, um mir all die Gründe, warum ich sie nicht ausstehen konnte, ins Gedächtnis zu rufen.
Jeden Abend strich ich den Tag im Kalender ab. Der 31 . Oktober rückte immer näher.
Ich erinnerte mich an frühere Halloween-Vergnügen, an meine Freunde, die Partys, den SpaÃ, und fragte mich, was uns der Tag in diesem Jahr bringen würde.
SüÃes oder Saures?
O ja, irgendetwas musste auf der Strecke bleiben.
Den Mittwochnachmittag verbrachte ich in einer Wellness-Oase in St. Maarten und genoss eine Massage â das neueste Geschenk von Vâlane (weià der Himmel, welchen Ratgeber über das Werben der Menschen er las). War es ein Wunder, dass ich rapide das Gefühl für die Realität verlor? Monster, mutwillige Zerstörung und Massagen â du liebe Güte!
Nach der Massage zog ich mich an und wurde in den Speiseraum des Hotels geführt, wo Vâlane mich auf der Terrasse mit Blick aufs Meer erwartete. Er rückte mir einen Stuhl zurecht und bat mich, an einem mit weiÃem Leinen, edlem Kristall und köstlichen Speisen gedeckten Tisch Platz zu nehmen. Die Glamour-Mac hätte sich geschmeichelt und in ihrem Element gefühlt.
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