Im Schatten meiner Schwester. Roman
über sich, der Grippe die Schuld zu geben. »Sie hatte gestern bei einem langen Rennen Probleme. Sie machen jetzt gerade Tests.«
»Ist es wieder ihre Ferse?«
Das wäre der kürzliche Vorfall mit dem Knochensporn gewesen. Doch ein Knochensporn würde Robin nicht von einem Treffen mit einer Laufgruppe abhalten. Robin liebte es, sich mit Laufgruppen zu treffen. Sie wäre auf Krücken hingegangen, wenn es nötig gewesen wäre. Nein, damit sie eine Laufgruppe absagte, musste es sich um etwas Ernstes handeln. Molly versuchte, sich etwas auszudenken. Lungenentzündung? Bauchkrämpfe? Migräne? Die Wochen dauerte?
Schließlich sagte sie nur: »Es ist was mit dem Herzen.«
»O Gott, die Sache mit dem vergrößerten Herzen. Sie hoffte doch, es würde weggehen.«
Molly stockte kurz. »Was meinen Sie?«
»Ich glaube nicht, dass sie es mir eigentlich hatte erzählen wollen, doch wir waren letztes Jahr zusammen, als die Nachrichten von den Autopsieergebnissen eines Typen berichteten, der während der olympischen Marathonausscheidungen gestorben ist. Er hatte ein vergrößertes Herz. Es war total tragisch. Ich meine, er war erst achtundzwanzig. Robin hat gesagt, wie schrecklich das sei, da sie dasselbe hat.«
Das war neu für Molly. Es würde auch für ihre Eltern neu sein. Doch Robin erzählte Kathryn alles. Wenn sie so etwas gewusst und es wegen des Ruhms vor ihrer Mutter verborgen gehalten hätte, wäre das furchtbar.
»Ist das das Problem?«, fragte Jenny.
»Äh … äh …«
»Geht es ihr gut?«
O ja, hätte ihre Mutter verlangt, dass sie sagte. Doch es war eine Lüge, die möglicherweise jetzt durch Robins Lüge noch vergrößert würde. Wütend auf ihre Schwester und auf ihre Mutter, die in dem Ruhm
badete
, eine Tochter zu haben, die eine Weltklasseläuferin war, platzte es aus Molly heraus: »Tatsächlich geht es ihr nicht gut. Sie hat das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt.«
»O mein Gott! Ist sie im Dickenson-May?«
»Ja.«
»Ist sie auf der Intensivstation?«
Molly begann sich Sorgen zu machen und ruderte zurück. »Ja, aber würden Sie bitte so nett sein und … es niemandem erzählen, Jenny? Wir wissen noch nicht, wo es hinführen wird.«
[home]
5
M olly hielt Ausschau nach Chris. In der Minute, als er nach Snow Hill zurückkehrte, war sie in seinem Büro. »Hast du letztes Jahr irgendwas davon gehört, dass Robin ein vergrößertes Herz haben soll?«
Er schüttelte den Kopf. »Wer sagt denn das?«
»Jenny Fiske. Sie hat suggeriert, dass Robin gewusst habe, dass es ein Problem gab, und dass sie es ignoriert hat.«
»Du hast ihr erzählt, dass Robin ein Problem mit dem Herzen hat?«, fragte er.
Molly ging in Verteidigungsstellung. »Ich musste es. Und es ist sowieso lächerlich, das für uns zu behalten, wenn es Freunde gibt, denen es wirklich wichtig ist.«
»Mom wird sauer sein.«
Sie warf eine Hand in die Höhe. »Ach ja, und was ist neu daran? Ich kann niemals das Richtige sagen, wenn es um Mom geht. Seit neuestem ist es Nick.« Sie hatte Nick Dukette vor zwei Jahren am Rande von einem von Robins Rennen kennengelernt. Nick war als Zeitungsreporter dort gewesen und Molly als Fan, doch sie fingen an zu reden und hörten nicht mehr auf. Nach diesem Rennen hatte er sich kurzzeitig mit Robin getroffen, und obwohl es nicht geklappt hatte, blieben Molly und er Freunde. Kathryn ließ kein gutes Haar an dem Mann. »Sie ist mir sogar auf die Nerven gegangen, nur weil ich ihn auf einen Kaffee getroffen habe. Aber ich habe ihn zuerst gekannt. Nur weil Robin mit ihm Schluss macht, darf ich also nicht mehr mit ihm befreundet sein? Er ist doch kein Bösewicht.«
»Er gehört zu den Medien.«
»Er hat auch zu den Medien gehört, als er sich mit Robin traf, und da hatte Mom nichts gegen ihn. Hätte Robin nicht mehr Insiderinformationen ausgespuckt als ich, oder glaubt Mom nur, dass ich dumm und naiv bin? Was habe ich getan, dass sie mir so misstraut? Übrigens, Dad stimmt uns zu, was das EEG angeht. Wenn jemand Mom davon überzeugen kann, es machen zu lassen, dann ist er es.«
»Meinst du?«
»Eindeutig. Sie mag die Führerin sein, doch er ist schlau. Er muss nicht mal die Stimme heben, und sie hört ihm zu.«
»Genau«, erwiderte Chris untypisch gefühlvoll. »Er ist eine
ruhige
Kraft.«
Molly war sensibel genug, was ihre Mutter anging, um seine plötzlich zur Schau gestellte Leidenschaft persönlich zu nehmen. »Und ich nicht? Willst du das damit sagen? Es tut mir leid, aber ich kann nicht
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