Im Schatten meiner Schwester. Roman
höflich.«
»Hast du ihm mehr erzählt als mir?«
Sie ließ den Kopf hängen und hob ihn dann. »O Nick, es gibt nichts zu erzählen.«
»Große Untertreibung. Lass uns anfangen mit: Wird Robin wieder gesund?«
»Ich weiß es nicht. Wir warten noch auf weitere Tests.«
»Hatte sie schon in der Vergangenheit Probleme mit dem Herzen?«
»Nein«, antwortete Molly, bevor sie erkannte, dass sie ihm in die Falle gegangen war, indem sie ein Problem mit dem Herzen zugab. Verärgert, dass er sie ihr gestellt hatte, fügte sie hinzu: »Und du?«
»Ich bin nicht auf der Intensivstation des Dickenson-May. Wie lautet die Prognose?«
Sie brauchte Trost und keine Fragen – ein Wort der Ermutigung, vielleicht etwas, was er aus einer seiner Quellen erfahren hatte, das das Gefühl völligen Verlustes lindern mochte, das sie empfand. Doch er stand einfach nur da und war offensichtlich wütend, weil sie ihm nicht die Einzelheiten verraten wollte, die er brauchte.
»Ich bin wirklich müde«, sagte sie leise.
»Heißt das, dass es schlimm ist?«
»Es heißt, dass es heute ein langer Tag war.«
»Die Leute fragen mich, Molly, und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sie stellen sich das Schlimmste vor, und ich kann es nicht leugnen. Hilf mir da raus, Molly.«
»Für die Zeitung?«, fragte der Teufel in ihr.
Er schwieg und wurde dann ungeduldig. »Du hast die Macht, unbegründetes Gerede zu stoppen. Robin würde das wollen.«
Damit traf er einen Nerv. »Woher willst du wissen, was Robin wollen würde?«, fragte Molly scharf. Ihre Mutter wusste es nicht. Ihr Vater auch nicht. Chris ebenfalls nicht. Sie selbst wusste es nicht. Und Nick glaubte, er wisse es?
Es entstand eine Pause, dann kam sein sanftes: »Das sieht dir gar nicht ähnlich. Was ist mit der Freundin passiert, auf die ich mich verlassen kann, wenn es um klare Worte geht?«
Die Wirklichkeit von Leben und Tod lastet auf ihr, dachte Molly, konnte es jedoch nicht laut aussprechen.
»Das kann doch nichts Gutes sein«, brach Nick in ihr Schweigen ein. »Reden wir von einem schweren Herzinfarkt?«
Sie rieb sich die Stirn und ließ dann die Hand fallen. »Es ist ziemlich ernst.«
»Heißt das, dass sie sich nicht mehr erholen wird? Gibt es eine dauernde Schädigung? Kann man es beheben?«
Die Dunkelheit mochte die Macht seiner Augen gedämpft haben, doch Molly begann trotzdem, sich zu winden. »Frag mich nicht aus, Nick. Du bringst mich in Verlegenheit.«
»Weil du verbirgst, wie schlimm es ist?«
»Weil meine Mutter dir nicht traut. Sie wäre wütend, wenn sie wüsste, dass wir miteinander reden.«
»Ich will es doch nur wissen.«
»Wir auch. Aber wir wissen es nicht. Noch nicht. Wir kennen das endgültige Ergebnis noch nicht.«
Sie zog ihre Schlüssel heraus, doch er gab nicht auf. »Komm schon, Molly«, schmeichelte er, »die Ärzte müssen dir doch mehr sagen. Sie machen dir entweder Hoffnung oder eben nicht. He, ich arbeite mit diesen Typen. Ich habe eine Liste von Namen, die ich anrufen kann, wenn ich ein Zitat von einem Experten brauche. Ich möchte wetten, einige von denen, die Robin behandeln, stehen auch auf meiner Liste, doch ich habe nicht angerufen, eben aus Respekt vor deiner Mutter. Aber du hilfst nicht. Ja, ich weiß, die ersten Tage sind entscheidend, doch es gibt eine geringe Schädigung und eine nicht so geringe Schädigung. Was ist es?«
»Ich helfe nicht!«, rief Molly verblüfft aus. »Wem helfen, Nick? Wie wäre es damit, mich zu stützen? Wie wäre es, zu verstehen zu versuchen, was meine Familie im Augenblick durchmacht? Das hier ist kein Spaziergang im Park. Es hat uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, und deine Fragen helfen da nicht gerade.«
Er achtete nicht auf das, was sie sagte. »Seid ihr teilweise so geschockt, weil Robin die ist, die sie ist? Sie hat sich einen Namen gemacht mit ihren Sechsundzwanzig-Meilen-Rennen. Wird sie jemals wieder laufen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was sagt sie denn?«
»Nichts.«
Eine Minute lang war das einzige Geräusch das Zirpen einer Grille im entfernten Wald. Dann kam ein Sperrfeuer. »Sie redet nicht? Steht sie unter Beruhigungsmitteln? Ist sie bewusstlos? Im Koma?«
»Sie ist hirntot!«, brach es voller Verzweiflung aus Molly heraus. In ihren Augen standen Tränen. »Okay? Wolltest du das hören?«
Nick wurde ganz still. Er sagte nichts.
»Und jetzt habe ich sie schon wieder verraten.« Entsetzt umklammerte Molly seinen Arm. »Bring das nicht in der Zeitung, Nick. Ich
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