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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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der
    Anrufer.
    „Ja. Was kann ich für Sie tun?“
    „Sie sollten in Ihr Büro hinuntergehen. Auf der
Fußmatte liegt schon seit einer Ewigkeit was für Sie. Dreimal hab ich versucht,
Sie anzurufen.“
    „Auf der Fußmatte liegt was? Ein Paket?“
    „Ja, ein Paket.“
    Einmal, als ich mit einem Fall zu tun hatte, bei
dem es um geklauten Schmuck ging, hatten die Diebe einen Teil der Beute auf
meine Fußmatte gelegt, einfach so, in einem Schuhkarton. Damit wollten sie die
Verhandlungen in Gang bringen und beweisen, daß sie die richtige „Ware“
besaßen. Sollten nun auch die Einbrecher von Dr. Clarimont...?
    „Sind das die Chinoiserien des Arztes?“
    „Chinoiserien?“
    Der Mann lachte dröhnend.
    „Ja, es kann einem ziemlich chinesisch
Vorkommen. Sehen Sie nach!“
    Lachend legte er auf. Ich auch, aber ich lachte
nicht. Der Kerl gefiel mir ganz und gar nicht. Seine Stimme gefiel mir nicht,
sein Ton gefiel mir nicht, sein Lachen gefiel mir nicht, und seine Geschichte
mit der Fußmatte gefiel mir noch viel weniger. Wenn etwas vor der Tür meiner
Agentur liegen würde, hätte ich es durch das Gitterfensterchen des Aufzuges
gesehen, da das Licht im Treppenhaus gebrannt hatte. Ah, nein! Irrtum! Im
Aufzug wär ich beinahe im Stehen eingeschlafen und hatte die Augen geschlossen.
Ohne große Begeisterung verließ ich mein Bett, schlüpfte in meinen Bademantel
und in meine Pantoffeln, steckte für alle Fälle meinen Revolver ein und ging in
die fünfte Etage hinunter.
    Kein Geräusch war zu hören, außer dem, das meine
Pantoffeln auf den Stufen machten. Ich hatte gar nicht gewußt, daß sie so
entsetzlich knarrten.
    Ich steckte den Schlüssel in die Tür meiner
Agentur. Um keine böse Überraschung zu erleben, stieß ich die Tür auf und
sprang gleichzeitig wie ein Torero zur Seite, den Revolver im Anschlag.
    Der Kerl, der gegen die Tür gelehnt gewesen war,
fiel der Länge nach in den Korridor meiner Agentur. Die Fußmatte, auf der er
gestanden hatte, rutschte bis zur Aufzugstür.

Lausige
Zeiten für Nestor Burma
     
     
    Ich steckte die Waffe ein, legte die Fußmatte
wieder dorthin, wo sie hingehörte, schloß die Tür und beugte mich über Milo.
Denn er war es, wenn auch kaum wiederzuerkennen.
    Er war vor kurzem mit einem stumpfen Gegenstand
bearbeitet worden. Milo, der Prügelknabe! Er schien auf Prügel abonniert zu
sein. Man hatte ihn erbärmlich zusammengeschlagen, doch er atmete noch und
stöhnte leise. Aus der geschwollenen Öffnung, die die Stelle seines Mundes
markierte, blubberte eine Art rotgefärbter Seifenschaum. Seine zerschmetterte
Nase bildete eine unappetitliche Masse. Das linke Auge hatte sich vor den
Schrecken dieser Welt vollkommen geschlossen. Das rechte stand offen,
wahrscheinlich klemmte das Lid. Das Auge glänzte fiebrig. Der Montag, so sagt
man, ist der Tag der Metzger.
    Am Revers seiner zerrissenen Jacke steckte meine
Visitenkarte, die ich ihm neulich gegeben hatte. Das zeugte von dem Humor der
Leute, die ihn so übel zugerichtet hatten. Zurück an den Absender. So
jedenfalls interpretierte ich die Geste.
    Ich schob das Kärtchen in die Tasche meines
Pyjamas. Dann packte ich Milo unter den Achseln und schleifte ihn in mein Büro.
Ich machte Licht und nahm den Telefonhörer in die Hand; doch bevor ich die
Nummer meines Freundes Dr. H... wählte, warf ich noch einen Blick auf Milo.
Langsam legte ich den Hörer wieder auf die Gabel. Eine Weile stand ich da und
kämpfte gegen meinen revoltierenden Magen an. Schließlich sauste ich in die
Toilette. Als ich wieder zurückkam, ging es mir physisch besser.
    Nur physisch, denn... Armer, alter Milo! Seine
herrlichen weißen Zähne — vorausgesetzt, er hatte noch welche im Mund — würden
ihm nie mehr weh tun. Er war kein schlechter Kerl gewesen, einer, der keiner
Fliege was zuleide getan hatte. Und schon gar nicht einem Löwen. Denn
anscheinend hatte ich ihn in die Höhle eines solchen geschickt. Und
darüberhinaus noch mit meiner Visitenkarte bewaffnet, damit sie entdeckt werden
und irgendwelche Reaktionen hervorrufen würde. Nun, Reaktionen waren
hervorgerufen worden! Und wenn man Milo so jämmerlich verprügelt hatte, dann
konnte das nur heißen, daß er nicht sofort alles ausgeplaudert hatte. Mir war
so, als wäre ich dabeigewesen. Ich sah ihn vor mir, den armen kleinen
Unterweltler, in den Klauen stämmiger Kerle mit kalten, durchdringenden Augen.
Gutgekleidete Kerle, wohlgenährt und selbstsicher! (Um so selbstsicherer, wenn
sie

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