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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Politiker, Untersuchungsrichter und Polizisten hinter sich wußten.) Kerle
wie Marquini, Kerle mit Stimmen wie der, die ich eben am Telefon gehört hatte.
„Na, Opa, wird’s bald? Warum willst du wissen, woher das Foto stammt? Wer hat
dich mit der Schnüffelei beauftragt? Ach, Monsieur ist stumm...!“ Boing!, ein
Schlag mit der Faust, ein Schlag mit der Dachlatte, ein Schlag mit dem
Pistolenknauf, ein Schlag mit dem Knüppel. „Also, Milo, was ist?“ Und wieder
beginnt der Tanz von neuem, dieser Tanz, der viele hübsche Namen hat: Dresche,
Keile, Abreibung. Schließlich redet er, oder man findet meine Visitenkarte bei
ihm. Ein wenig spät, vor allem für Milo. Zurück an den Absender. Armer alter
Milo! Ich hatte ihn unterschätzt. Er galt als Hänfling, als halbe Portion, und
jetzt stellte sich heraus, daß er ein ganz Harter war, der keine Angst vor den
Großen hatte. Er hatte die Gelegenheit genutzt, um das zu beweisen, vielleicht
für seine ganz persönliche Genugtuung, als Revanche an das Leben, um sich in
seinen eigenen Augen Respekt zu verschaffen... Und wie schon andere echte
Helden war er für nichts und wieder nichts gestorben. Und ich war es, der ihn
ans Messer geliefert hatte, ich mit meiner raffinierten Taktik...
    Ich stand vor der Leiche, fühlte mich zum
Kotzen, unglücklich, schuldig. Als der Gedanke mir durch den Kopf schoß, daß
ich genau in dem Moment, als man Milo in die Zange genommen hatte, Suzanne
geküßt hatte, fühlte ich mich noch elender. Ein makabrer Gedanke! Wenn man in
Momenten der Liebe an all das denken würde, war zur gleichen Zeit an
Scheußlichem in der Welt passiert... Das würde entweder der Partnerin nicht
gefallen, oder aber man würde es nicht oft tun.
    Ich schüttelte die trüben Gedanken von mir ab,
beugte mich über den Toten und durchsuchte ihn. Eine magere Ausbeute von
geringem Interesse. Ich stopfte sein Hab und Gut wieder in seine Taschen.
    Plötzlich dachte ich an die blonde Mado, Milos
Freundin. Ich mußte unbedingt mit ihr reden, und zwar schnell. Vielleicht wußte
sie etwas Genaueres. Möglicherweise hatte Milo sie ins Vertrauen gezogen und
angedeutet, in welcher Richtung sich seine Nachforschungen bewegten.
Möglicherweise jedoch... Ja, möglicherweise würde ich sie in demselben Zustand
finden wie Milo... Diese Aussicht hielt mich nicht von meinem Plan ab. Im
Gegenteil. Wenn ich mich ein wenig sputete, könnte ich bei ihr sein, bevor man
sie zu Hackfleisch verarbeiten würde.
    Ich lief hinauf in meine Wohnung und zog mich
wieder an, wobei ich mich fragte, was ich mit Milos Leiche machen sollte. Ich
verschob das Problem auf später. Später würde man weitersehen. Im Augenblick...
    Im Augenblick läutete das Telefon. Ich hatte
keine Zeit, mich zu melden. Der Kerl von eben fragte mit seiner unangenehmen
Stimme, die jetzt schleimig klang:
    „Nestor Burma?“
    „Ja.“
    „Gut angekommen?“
    „Ja.
    „Lassen Sie sich das ‘ne Warnung sein,
Schlauberger!“
    „Selber Schlauberger! Idioten! Ihr habt ganze
Arbeit geleistet! Etwas zu hart zugeschlagen, was?“
    „Wie?“
    „Bist du taub? Ach, deswegen schreist du so
wie’n... Er ist tot, mein Kumpel!“
    „Tot? Der kleine Blödmann? Na schön, ist kein
großer Verlust.“
    Er lachte (oder tat so) und legte auf. Ich
knallte den Hörer auf die Gabel und machte mich auf die Socken.
     
    * * *
     
    So unauffällig wie möglich — nämlich am Arm
einer Hure — betrat ich das Hotel Star in der Rue Belhomme. An der
Rezeption saß der Pomadenjüngling von neulich. Er sah so aus, als hätte ihm
jemand gerade einen heftigen Schrecken eingejagt.
    In der Bude meiner Zufallsbekanntschaft
erkundigte ich mich, wo die Toilette sei. Am Ende des Korridors, danke. Ich
stellte mich blöder, als ich bin, und unter dem Vorwand, ich hätte Angst, mir
würde mein Geld ins Klo fallen, bezahlte ich im voraus die Gunst des Freudenmädchens.
Ich überschritt beträchtlich den gewerkschaftlich festgesetzten Tarif, um
sicher zu sein, daß sie sich damit abfinden würde, mich nicht mehr
wiederzusehen.
    Ich ging hinaus und stieg in die oberste Etage
hinauf zu Milos ehemaliger Behausung. Ich lauschte an der Tür. Nichts. Ich
klopfte. Immer noch nichts. Ich wartete ein paar Sekunden. Es war merkwürdig
still überall. Man hätte meinen können, daß eine dumpfe Unruhe auf dem Haus
lastete. Ich dachte an den Schönling unten an der Rezeption. Er mußte über
Milos Schicksal Bescheid wissen. Sah so aus, als hätte er irgend

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