Im Schatten von Montmartre
gemacht hat...“
„Verzeihen Sie, wenn ich zynisch werde“,
unterbrach ich seine Gedankengänge, „aber aus einem ganz bestimmten Grund (mit
Namen Simone Coulon, fügte ich in Gedanken hinzu) wäre es mir gar nicht so
unangenehm, wenn Mademoiselle Cargelo den Mord begangen hätte. Allerdings... Er
könnte genausogut von jemand anderem umgebracht worden sein. (Insbesondere und
trotz meiner brillanten Überlegungen und Schlußfolgerungen von Simone, der
verrückten Tochter des Spediteurs, dachte ich bei mir.) Eben habe ich so getan,
als würde ich Ihre Verlobte verdächtigen. Sagen wir, im Sinne einer
harmonischen Entwicklung unseres Gesprächs, mehr nicht. Denn Mademoiselle
Cargelo war doch in der Mordnacht in Cannes, nicht wahr?“
„Ja, natürlich.“
Das kam wie aus der Pistole geschossen. Ich
hakte nach: „Ist das wirklich ganz sicher? Oh, Sie fangen wieder an, Verstecken
mit mir zu spielen, Monsieur Rigaud!“
Er sträubte sich noch ein wenig, dann gab er
sich einen Ruck und gestand mit leiser Stimme:
„Das genau ist der springende Punkt, Monsieur
Burma! In der fraglichen Nacht war sie nämlich nicht in Cannes! Sie sei
erschöpft gewesen, sagte sie, und sei deshalb nach Paris gekommen, inkognito,
wegen der Journalisten. Erst am Dienstag, als sie mich anrief, habe ich
erfahren, daß sie bei den Ulmen war.“
„Bei den Ulmen?“
„So heißt eine Villa, die ich außerhalb von
Paris besitze. Ritas offizieller Wohnsitz ist das Majestic, doch da hält
sie sich praktisch nie auf. Ihr wirkliches Zuhause ist die Villa Bei den
Ulmen. Das wissen nur sie und ich... Ein idealer Ort, um auszuspannen...“
„Und vielleicht auch“, bemerkte ich, „der ideale
Ort, um ungestört aus- und eingehen zu können, wann immer man will, ohne daß es
jemand bemerkt?“
„Äh... ja.“
„Hat sie Sie von dort aus angerufen, an jenem
Dienstag?“
„Aber genau an dem Tag habe ich sie angerufen,
um ihr mitzuteilen, daß ich Simone gefunden hatte. Und ich habe sie in Cannes
erreicht! Ach ja, stimmt, Flugzeuge sind schnell, vor allem Privatjets. Fliegt
sie selbst?“
„In ihrem Zustand, so nervös und unruhig, wie
sie war, hätte sie es nicht gekonnt. Ich selbst habe sie nach Cannes
zurückgeflogen. Wir waren gerade erst eingetroffen, als Sie anriefen. Reiner
Zufall. Ich war dabei, als Sie mit ihr telefoniert haben. Und ich erinnere mich
an etwas, das vielleicht in meinem Unterbewußtsein eine Rolle gespielt hat, als
ich mich entschloß, einen Privatdetektiv einzuschalten. Nachdem sie aufgelegt
hatte, sprach sie mit mir über den glücklichen Ausgang von Simones Ausreißversuch.
Rita sagte so etwas wie: ,Dieser Nestor Burma ist wirklich ein netter Kerl.’
Ich weiß nicht, warum.“
Ich schon, ich ahnte es, begnügte mich aber mit
der Bemerkung, daß das sehr schmeichelhaft für mich sei. Dann fuhr ich fort:
„Also hat Mademoiselle Cargelo die fragliche
Nacht — oder einen Teil davon — in Paris verbracht, und am Dienstag hat sie Sie
im Laufe des Tages von den Ulmen aus angerufen?“
„Ja.“
„Warum?“
„Sie fühlte sich einsam. Sie wollte mich in
ihrer Nähe haben. Wenn man bedenkt, was möglicherweise geschehen war, dann ist
das nur allzu verständlich, oder? Ich bin zu ihr geeilt. Sie war übernervös,
wie gesagt. Ich wurde es auch so langsam. In der Mittagsausgabe der Zeitungen
hatte ich von dem Mord an Prunier gelesen. Rita gegenüber habe ich von meinen
Vermutungen nichts durchblicken lassen, jedenfalls hoffe ich das. Ich konnte
sie dazu überreden, nach Cannes zurückzufliegen. Das Festival ging seinem Ende
zu. Ich habe ihr gesagt, sie müsse ihre Müdigkeit noch für ein paar Tage
überwinden. Damit wollte ich ihr ein Alibi verschaffen, verstehen Sie? Sie ließ
sich überreden. Ich flog sie nach Cannes und kehrte noch am selben Tag nach
Paris zurück. Ich wollte alleine sein, um mir zu überlegen, was ich tun könnte.
Tja“, schloß er, „so war das... Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles
erzähle.“
„Weil ich, nach Aussage von Mademoiselle
Cargelo, ein netter Kerl bin“, sagte ich lächelnd. „Ist sie noch in Cannes?“
„Das Festival ist beendet. Vor zwei Tagen ist
Rita zurückgekommen. Sie wohnt bei den Ulmen.. . und quält sich
sicherlich. Und ich, ich quäle mich hier...“
„Nun hören Sie doch endlich auf, sich zu
quälen!“ rief ich. „Ich bin gegen Folter. Dagegen bin ich ein großer Freund von
Scherereien. Dicke Tinte ist sozusagen meine Spezialität! Soll ich mich
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