Im Schattenreich des Dr. Mubase
Idee gekommen. Es nützt mir mehr, habe ich entschieden, wenn du 50 000
lockermachst und sie mir rüberschiebst. Klar? Damit ich den Mund halte und der
Polizei keinen Wink gebe. Sonst stünde es nämlich ungut um dich und Kathi
Niemeier. Tja, ich habe mich umgehört. Daß du mit der Apothekenhelferin
zusammenhängst, dafür gibt es Beweise. Hier.“
Er zog die Fotos aus der Tasche und
warf sie auf den bügelbrett-ähnlichen Tisch.
Charlie glotzte Eike an, dann die
Fotos. „Bist du wahnsinnig? Du willst mich erpressen? Ist das der Dank für
meine Hilfe?“
„Deine Hilfe, die du ja schon 42mal in
Schwung gebracht hast, brauche ich nicht. Weil mein Pulver keine Droge war,
sondern Mineralien-Staub. Und jetzt ist es Milchzucker, hahahah. Aber die
Polizei wird sehr interessiert sein, wenn ich dich und deine Komplicin anzeige.
Und damit du nicht denkst, daß du mich irgendwie bedrohen kannst: Diese Fotos
sind nur einige von vielen. Die anderen hat mein Freu... sind an einem sicheren
Ort. Ein Schreiben, aus dem über dich und Kathi alles hervorgeht, liegt auch
dabei. Wenn ich überfallen werde, kriegt die Polizei das Material. Klar?“
„Du Schweinehund!“
„Ach nee? Und du? Deinetwegen haben 42
Drogenkonsumenten nicht mal die Chance gehabt, daß man ihre Abhängigkeit
erkennt und sich um die armen Teufel bemüht.“
„Das ist deren Problem.“
„Jetzt hast du ein Problem.“
„Du hast Fensterkitt im Schädel. Woher
soll ich 50 000 nehmen?“
„Dein Porsche ist das allemal wert.
Gut, den verkauft man nicht von jetzt auf nachher. Ich lasse dir zehn Tage
Zeit. Dienstag in einer Woche bin ich wieder hier. Und dann hast du die Knete.
Andernfalls fliegst du auf.“
Eike machte kehrt und marschierte
hinaus.
Er schwitzte unter den Achseln, seine
Hände waren feucht. Aber er kam sich großartig vor. Mann, war das aufregend!
Einen Ganoven erpressen, klotzig dran verdienen und mal so richtig Druck
ausüben.
Bisher, dachte Eike, geht der Druck
immer nur auf mich. Von meinem Alten, den Paukern, der blöden Penne... Aber
jetzt!
Er stakte die Straße hinunter.
Erst als er außer Sichtweite des Hauses
war, schloß Sascha zu ihm auf.
„Na?“
„Läuft bestens. Wir können schon
überlegen, wie wir die Knete ausgeben.“
Er täuschte sich. Charlie Tetzlaff
bezog seine Einkünfte nur zum kleinen Teil aus dem Apotheken-Pulver-Austausch-Service.
Charlie dealte. Und als Dealer kannte er Leute, die mit Widersachern nicht viel
Federlesens machen.
16. Gewässerschutz-Wächter
Es dunkelte über dem Internatsgelände —
auch sonst überall und ein kühler Wind strich durch die Anlage, wisperte in den
Bäumen und kämmte die herbst-trocknen Gräser.
Der Samstagabend gehört zu den ruhigen
Zeiten in der Heimschule. Die Schüler der Oberstufe sind sowieso in der Stadt,
hängen im Kino und in der Disko herum. Die jüngeren Schüler sitzen im
Fernsehraum vor der Glotze. Auch die meisten Pauker fliegen aus — bis auf jene,
die Dienst haben und für ein Minimum an Ordnung sorgen müssen.
Klößchen lag auf dem Bett, knabberte
Schokolade und führte eine Art Selbstgespräch, denn Tim hörte gar nicht hin — oder
gelegentlich nur mit einem Ohr.
Zum x-tenmal drückte der dicke
Schokovertilger seine Zufriedenheit aus, daß ihn das Schicksal bewahrt hatte
vor einer Herbst-Ferien-Fastenkur in der Hunger-Burg.
„Jaja“, murmelte Tim und las weiter in
seinem Buch über weltumspannende Computer-Netze.
So verging der frühe Abend.
Ab 22 Uhr brach die totale Ruhe aus in
den Stockwerken der Mittelstufen-Schüler. Alle lagen im Bett. Einige hörten
heimlich noch Radio oder lasen. Der EvD (Erzieher vom Dienst) hatte
lustlos seine Runde gemacht. Tim und Klößchen krochen unter den Bettdecken hervor.
Tim trug dunkle Jeans, Basketball-Stiefel
und ein schilfgrünes Sweatshirt.
„Findest du, daß du richtig angezogen
bist?“ fragte er Klößchen.
„Wieso?“
„Ist deine rot-grün-karierte
Stiefelhose nicht ein bißchen zu schick für ein Nacht-und-Nebel-Unternehmen?“
„Tatsächlich. Da habe ich mich vertan.
Wollte in Jeans steigen. Ist nun auch egal. Die schicke Stiefelhose wärmt. Und
tarnfarben ist sie ja auch. Besonders in mondloser Nacht.“
Ihr Flucht-Instrument, die
Strickleiter, hatten sie vorhin aus dem Versteck auf dem Dachboden geholt.
Um 22.17 Uhr öffneten sie das
Flurfenster. Wie schon viele Male zuvor, hängten sie die Strickleiter an den
Mauerhaken. Klößchen kletterte hinunter. Dabei verlor er seine
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