Im Schloss der Leidenschaft
Er hatte die schlimmste Nacht seines Lebens hinter sich, und jetzt explodierte seine Wut mit der Macht eines Vulkans. Nur mit größter Mühe hielt er sich zurück, sonst hätte er den Stallburschen bei den Schultern gepackt und die Antwort aus ihm herausgeschüttelt. „Ich habe strikte Anweisung gegeben, dass Madame Vaillon das Pferd nicht allein ausreiten darf.“
„Ich habe ja versucht, es Madame zu sagen, aber sie ist einfach losgeritten.“
Weil der Stallbursche so hilflos und unglücklich aussah, bekam Luc beinahe Mitleid mit ihm. Er kannte Emilys Entschlossenheit, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Doch als die ersten Regentropfen fielen, überfiel ihn erneut die Sorge.
„Sie hätten ihr nachreiten sollen“, herrschte er den Mann an, während er sich bereits in den Sattel schwang. „In welche Richtung ist sie geritten?“
„Monsieur!“ Irgendetwas in der Stimme des Stallburschenhielt ihn zurück, und seine Sorge verwandelte sich in nackte Angst, als er Kasim reiterlos in den Hof galoppieren sah. Jetzt fiel der Regen wieder heftig, peitschte in sein Gesicht, doch Luc trieb sein Pferd mit einem lauten Ruf an und jagte über die Wiese, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.
Nachdem er wegen des ständigen Regens tagelang im Stall eingesperrt gewesen war, bewegte sich Kasim noch unruhiger als sonst, und Emily brauchte all ihre Kraft, um ihn zurückzuhalten. Der Boden war so aufgeweicht, dass der Hengst mehrmals ausrutschte, was seine Frustration nur steigerte. Von allen Dummheiten, die sie in ihrem Leben begangen hatte, war dies wohl die größte, dachte Emily und stieg vorsichtshalber ab. Wie konnte sie das kleine Leben, das in ihr heranwuchs, nur auf diese Weise gefährden – und sei es für eine Sekunde? Wie auch immer Luc auf die Schwangerschaft reagieren mochte, sie würde dieses Kind von ganzem Herzen lieben.
Mit einem Schnauben warf Kasim den Kopf zurück. Als ein Motorrad die nahe gelegene Straße entlangfuhr, geriet er in Panik, stieg auf die Hinterhufe und entriss Emily die Zügel.
„Kasim, ruhig, alter Junge“, rief sie, doch er galoppierte bereits das Feld entlang. Als sie hinter ihm herlief, stolperte sie und fiel in eine Brombeerhecke. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt zum Weinen, entschied sie und rappelte sich mühsam hoch. Stärker und stärker fiel der Regen, Kasim war im Nebel verschwunden, und Emily konnte nur hoffen, dass er allein zurück in den Stall fand. Vor ihr lag jedoch ein weiter Weg durch matschige Felder, und das auf einem Knöchel, der wahnsinnig wehtat, sobald sie ihn belastete.
Wie gut, dass Luc nicht da war, dachte sie grimmig,während sie durch den Regen spähte und das Ende des Feldes immer noch nicht in Sicht kam. Wenn er herausfand, dass sie sich seiner Anordnung widersetzt hatte, würde er ihr den Hals umdrehen. Vielleicht sogar Kasim verkaufen, wie er angedroht hatte. Bei dem Gedanken humpelte sie noch ein wenig schneller, doch als sie sich dem Tor näherte, tauchte ein Reiter im Nebel auf, und sie verlangsamte unwillkürlich den Schritt.
„Was, zur Hölle, hattest du eigentlich vor?“, schrie Luc sie an, als er kurz vor ihr hielt. Mit dem Mut der Verzweiflung verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah trotzig zu ihm auf.
„Ich könnte dich dasselbe fragen. Wie war deine Besprechung? Sicher unglaublich wichtig, wenn es dich davon abgehalten hat, mit deiner Frau zu sprechen. Oder vielleicht auch nicht“, fügte sie düster hinzu. „Ich stehe auf deiner Prioritätenliste ziemlich weit unten, nicht, Luc?“
„Sei nicht albern. Natürlich bist du mir wichtig. Hast du dich verletzt, als Kasim dich abgeworfen hat?“
„Er hat mich nicht abgeworfen“, entgegnete sie schnell, denn ihr Mut schwand unter seinem anhaltend wütenden Blick. „Ich bin sicherheitshalber abgestiegen. Geht es Kasim gut? Du wirst ihn doch nicht verkaufen, oder?“, flehte sie mit großen Augen. Er fluchte leise.
„Dem Pferd geht es gut, aber ich muss noch entscheiden, ob ich ihn behalte. Ich wusste, dass er für dich zu stark ist.“
„Er ist nicht zu …“
„Halt den Mund und gib mir deine Hand“, unterbrach er sie ungeduldig, was ihre Wut erneut entfachte. Am Abend zuvor hatte er sie nicht einmal in seinen hektischen Terminplan einfügen können. Die jetzige Sorge in seinem Gesicht rührte wahrscheinlich nur daher, dass sie ein teures Pferd gefährdet hatte.
„Ich komme schon zurecht, vielen Dank.“
„ E-mi-ly! Ich könnte dich
Weitere Kostenlose Bücher