Im Schloss unserer Liebe
auch die Lastwagenfahrer satt werden. Sie waren die ganze Nacht unterwegs und haben das Spielzeug vom Hafen abgeholt. Anna ist auch da, aber sie hat schlechte Laune. Steh auf, Mama. Ich warte hier, bis du dich angezogen hast. Und dann frühstücken wir.“
Gegen so viel kindliche Begeisterung fühlte Kelly sich machtlos. Welche Mutter konnte der Einladung ihres Kindes zu einer gemeinsamen Mahlzeit widerstehen?
Sie schaute aus dem Fenster. Kräftige Männer waren dabei, große Kisten auszuladen und zum Haupteingang zu tragen.
„Wo ist Rafael?“, fragte sie.
„Im Kerker.“ Matty genoss sichtlich das Gruselgefühl, das ihm allein das Wort einflößte. „Die Köchin hat mir erzählt, dass darin mal Geister lebten und mit Ketten rasselten. Onkel Rafael hält das aber nur für Spuk, und gegen den hilft Sägemehl. Jetzt ist er da unten. Anna sagt, er steckt den Kopf in den Sand, aber ich glaube, er steckt ihn in Sägemehl.“
„Aha.“ Was auch immer Rafael gerade trieb, er hatte sie geküsst. Offenbar war er ein Schürzenjäger wie Kass.
Sie würde ihn mit Verachtung strafen und sich von ihm fernhalten.
„Gut, ich komme zum Frühstück.“
„Und danach auch in den Stall?“ Matty sah sie flehend an. „Reitest du mit mir?“
„Tut mir leid, Matty, ich habe das Reiten aufgegeben.“
Die große Küche war erfüllt von köstlichem Duft und lauten, fröhlichen Stimmen.
Das war neu für Kelly. Sie hatte das Schloss anders erlebt, mit schweigsamen, leisen, vorsichtigen Menschen.
Jetzt stand eine große, dralle Frau an dem wuchtigen Herd und wendete mit Schwung Pfannkuchen in einer riesigen Pfanne. Zwei junge Frauen assistierten ihr. Die eine schlug Eier auf, die andere rührte in einem Topf. Um den Tisch herum saßen die Lastwagenfahrer und Packer. Auch Laura und Crater aßen mit. Ausgerechnet Crater, der Mann, vor dem Kelly sich so fürchtete.
Und dann entdeckte sie noch eine junge Frau, die eine Platte mit frischen Pfannkuchen servierte. Ihr blondes Haar hatte sie zusammengebunden, sodass ihre silbernen Ohrringe zur Geltung kamen. Groß, schlank und hübsch sah sie aus in ihren hellen Leinenhosen und dem dazu passenden Pulli. Kelly erkannte sie sofort. Sie hatte Anna auf dem Foto im Internet gesehen.
„Ich habe Mama zum Frühstück geholt“, sagte Matty laut und deutlich. Alle starrten Kelly an, und sie wäre am liebsten davongerannt.
Doch Matty nahm sie bei der Hand und zog sie weiter. „Ich habe ihr von den Pfannkuchen erzählt. Sie hat auch Hunger.“
Crater erhob sich und kam auf Kelly zu.
„Eure Hoheit, Prinzessin …“
„Bitte nennen Sie mich Kelly“, unterbrach sie ihn leise, ließ Mattys Hand los und trat automatisch einen Schritt zurück. Mit diesem Mann hatte sie nur ein einziges Mal zu tun gehabt: als er ihr mitteilte, sie dürfe ihren Sohn nie wiedersehen.
„Ich möchte mich entschuldigen …“, sagte der alte Mann.
„Nein“, fuhr Anna mit streitsüchtiger Miene dazwischen. „Entschuldigen Sie sich nicht bei dieser Frau! Sie macht anderen das Leben schwer.“
„He!“
Das war Rafael, der jetzt in die Küche kam. „Wer macht wem das Leben schwer?“
„Kelly. Uns und unseren Kindern.“
„Welchen Kindern?“, fragte Kelly verständnislos.
„Den zwanzig, die Rafael anbeten“, klagte Anna. „Zwanzig Kinder …“
„… die nun dir Treue erweisen werden.“ Er lachte auf.
„Ich verstehe nichts von Kindern, Rafael“, schimpfte Anna los. „Ich bin Geschäftsfrau, kein Kindermädchen. Du machst dich aus dem Staub, nimmst deinen persönlichen Kram mit und erwartest von mir …“
„Ja, das erwarte ich.“ Er legte beschwichtigend den Arm um ihre Schultern.
Doch Anna stieß ihn beiseite und sah Rafael finster an. „Versuch nicht, mich einzuwickeln. Weißt du eigentlich, was mich dein Umzug gekostet hat? Wie viel Kraft und Ärger? Mal ganz abgesehen von dem Krach mit Richard, weil ich hergekommen bin. Und du? Du verlangst mir das Äußerste ab, nur weil Kelly mit dem Finger schnippt.“
„Ich begreife gar nichts mehr“, bekannte Kelly.
„Weil Sie einen leeren Magen haben“, warf Laura ein. „Setzen Sie sich, und essen Sie ein paar warme Pfannkuchen!“
Kelly nahm neben einem Packer Platz und bediente sich.
„Wenn Sie satt sind, schauen Sie sich meinen Kerker an, Kelly! Bis dahin wird Anna sich zusammenreißen und freundlich zu Ihnen sein.“ Rafael tätschelte seiner Partnerin die Hand. „Du schaffst es, meine Liebe. Mir bleibt auch keine andere
Weitere Kostenlose Bücher