Im Schloss unserer Liebe
sind.“
Kelly empfand plötzlich Mitgefühl für Rafael. Dieser große Mann in Freizeithosen und mit aufgekrempelten Hemdsärmeln sah nicht so aus, als wäre er begeistert von seiner Aufgabe. Ja, er sah geradezu unglücklich und einsam aus. Für ihn gab es kein Entrinnen.
Matty griff nach Rafaels Hand. „Sei nicht traurig. Wenn du lieber Spielzeug machst, bin ich der Prinz. Meine Mama wird mir dabei helfen.“
„Deine Mama möchte aber in ihrer Dachstube bleiben und Bücher lesen.“
„Vielleicht könnte Matty sie dazu überreden, hin und wieder herunterzukommen“, sagte Anna zuversichtlich. „Dann hättest du mehr Zeit, nach Manhattan zu kommen und für deine Kinder da zu sein.“
„Ich gehöre jetzt hierher.“ Das klang, als verkündete Rafael ein Gerichtsurteil.
„Und du hilfst ihm, Mama?“
Kelly schluckte. „Ich … natürlich … soweit ich das kann.“
Sie war sich inzwischen sehr unsicher. Gestern hatte es ihr Freude gemacht, sich zu verkleiden und Rafael zur Seite zu stehen. Aber für die nächsten Jahre …?
„Mama, ich möchte mit dir ausreiten.“
„Matty, das kann ich nicht.“
Laura erhob sich. „Hab Geduld, Matty. Jetzt darfst du Rafael helfen, die Kisten auszupacken, damit er endlich seinen Kerker einrichten und darin spielen kann.“
„Und Mama geht wieder hoch in ihre Dachkammer.“ Matty ließ den Kopf hängen. „Ich glaube, ich muss doch der Prinz sein. Tante Laura, willst du mir helfen und die Prinzessin sein?“
Matty ging mit Laura zu den Stallungen, um sich die Pferde anzusehen und ihr von den Abenteuern in Australien zu erzählen. Kelly zog sich in die Schlossbibliothek zurück, um in den Regalen zu stöbern.
Was sie auf Anhieb an Büchern, Dokumenten und Aufzeichnungen fand, reichte zwar, um eine Historikerin hundert Jahre zu beschäftigen, aber eine Übersicht über den Bestand fehlte. Vielleicht sollte sie mit der Katalogisierung beginnen. Das war eine notwendige, wenn auch langweilige Arbeit. Für ihre jetzige Verfassung genau das Richtige.
Als der Gong zum Mittagessen rief, war sie froh, dass sie der Köchin und Matty bereits abgesagt hatte. Doch am Nachmittag knurrte ihr Magen, und da es still im Schloss geworden war, hoffte sie, sich in der großen Küche ungestört etwas zu essen machen zu können.
Doch dem war nicht so.
Rafael saß allein an dem großen Tisch, vor sich eine Flasche Bier und einen Teller mit Sandwiches. Irritiert starrte sie ihn an.
„Sollte ich Kaviarhäppchen essen und Champagner trinken?“, fragte er mürrisch.
„Entschuldigung, ich wollte nicht …“
„Die Zutaten für Sandwiches findest du im ersten Kühlschrank. Du musst doch Hunger haben.“
Kelly zögerte.
„Früher habe ich die Mahlzeiten im Schloss gehasst. Diesen Speisesaal, die viel zu lange Tafel, die gequälte Konversation. Seitdem wir hier alle zusammen, die Familie und das Personal, in der Küche essen, kann ich es gut aushalten.“
„Matty fühlt sich jetzt bestimmt auch wohler.“
„Ja.“ Rafael trank einen Schluck Bier aus der Flasche und beobachtete sie, während sie ein Sandwich zubereitete.
„Wo ist Anna?“, fragte Kelly.
„Abgereist.“
„Schon?“
„Länger als unbedingt erforderlich wollte sie nicht bleiben. Zum Abschied hat sie mich noch mal ordentlich zusammengestaucht und mir wegen der Kids ins Gewissen geredet. Wenigstens sprechen sollte ich mit ihnen, findet sie.“
„Und?“
„Wahrscheinlich hat sie recht.“ Er stöhnte auf. „Aber bis zur Krönung werde ich keine Zeit dazu finden, und danach fängt die eigentliche Arbeit erst an. Ich sehe keine Chance, zu entkommen. Für mich gibt es keine Dachkammer.“
„Hör auf, mir Schuldgefühle zu machen, und versuch nie wieder, mich zu küssen“, warnte sie ihn.
„Ja, der Kuss war ein Fehler.“
„Das kann man wohl sagen.“
Er ließ sie nicht aus den Augen. „Du hast ihn kein bisschen genossen?“
„Nein.“
Um seine Lippen spielte ein spöttisches Lächeln. „Lügnerin.“
„Ich bin einmal auf einen von diesen de Boutaine hereingefallen. Das reicht.“
Rafaels Lächeln verschwand. „Dann hast du meinen Kuss also nur erwidert, weil ich Kass ähnlich sehe?“
„Allerdings.“
„Ich verstehe.“
„Und warum hast du mich geküsst?“, platzte Kelly heraus.
„Keine Ahnung.“ Er zuckte die Schultern. „Ich weiß auch nicht, warum ich dich schon wieder küssen möchte.“
„Schon wieder?“ Kellys Stimme überschlug sich fast.
Er nickte. „Vielleicht liegt
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