Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
sah Irene durch den Rauch an.
»Das ist mir klar. Wie immer hatte ich nichts Essbares zu Hause. Ich halte nicht viel vom Planen. Meist kaufe ich nur am Wochenende ein, aber unter der Woche kümmere ich mich nicht darum. Ich arbeite immer lange. Dann gehe ich meist in den 7-Eleven oder nehme irgendwo was mit. Oder ich esse überhaupt nichts.«
Sie lächelte und blies ein paar Rauchringe in Richtung der massiven Balken an der Decke. Dann fuhr sie fort:
»Montagabend bin ich kurz nach acht nach Hause gekommen. Ich hatte noch Essen vom Wochen ende und glaubte deswegen, dass ich nicht einkaufen müsste. Dann fiel mir auf, dass ich fast keine Zigaretten mehr hatte. Ich kann ohne die meisten Dinge auskommen, aber nicht ohne Zigaretten. Deswegen habe ich noch einmal die Wohnung verlassen.«
»Wie spät war es da?«, fragte Irene.
»Ich weiß nicht recht. Aber ich vermute, kurz nach halb neun. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, als ich gegangen bin.«
Ritva setzte sich auf und drückte die Zigarette in dem vollen Aschenbecher so heftig aus, dass mehrere Stummel über die Kante auf den Tisch fielen. Sie hob sie alle auf und legte sie in den Aschenbecher zurück. Dann deutete sie auf den Aschenbecher und sagte:
»Den habe ich in der fünften Klasse getöpfert. Mein Vater hat ihn zu Weihnachten bekommen. Um mich nicht zu kränken, hatte er ihn auch immer auf dem Couchtisch stehen.«
Ihr heiseres Lachen ging in ein heiseres Husten über.
»Sie wollten also Zigaretten kaufen«, sagte Irene, damit die Dozentin zum Thema zurückkam.
»Ja. Der Regen hatte ganz aufgehört, und es war recht schön draußen. Ich ging langsam, um den Abend zu genießen. Bevor ich die Lorensbergsgatan überquerte, blickte ich in beide Fahrbahnrichtungen. Da sah ich ein Auto, das etwas weiter die Straße entlang gehalten hatte. Ein Mann stieg aus. Wirklich kein sympathischer Typ. Ich weiß, dass ich gesagt habe, dass er wie ein Ganove aussah, als ich bei der Polizei anrief, aber das ist auch wirklich die beste Bezeichnung.«
Sie hielt erneut inne, um zu husten, und trank einen großen Schluck von ihrem lauwarmen Kaffee.
»Könnten Sie ihn so genau wie möglich beschreiben«, bat Irene.
»Ich will es versuchen. Er war nicht sonderlich groß, aber füllig. In der Tat war er dick. Kurzer Hals. Er hatte sein dünnes, langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und der Bauch hing ihm über die Jeans. Sie hatten Löcher und waren schmutzig. Schwarzes T-Shirt, schwarzer Kapuzenpulli. Genau! Sein Kumpel im Auto rief ihm etwas zu, und da blieb er stehen und setzte die Kapuze auf. Dann winkte er dem Mann im Auto zu und verschwand in der Toreinfahrt auf den Innenhof, auf dem also wenig später eine Bombe explodierte. In der linken Hand hielt er einen kleinen Werkzeugkasten.«
Ritva zog ihre Zigarettenschachtel wieder hervor. Es waren nur wenige Minuten seit der letzten Zigarette vergangen, aber jetzt war es offenbar wieder an der Zeit. Sie nahm eine Zigarette heraus und rollte sie vorsichtig zwischen den Fingern.
»Was tat der Fahrer des Autos?«, fragte Irene.
»Er winkte durch das Schiebedach und fuhr ein Stück weiter. Jetzt kam …«
»Schiebedach? Hatte das Auto ein Schiebedach?«, fiel ihr Irene ins Wort.
»Habe ich das nicht gesagt? Das habe ich vielleicht bei meinem Anruf vergessen. Aber so war es jedenfalls. Er streckte die Hand durch das Schiebedach und winkte. Ich sah, dass seine Hand vollkommen schwarz war. Erst dachte ich, der Mann im Auto sei dunkelhäutig, aber dann ging mir auf, dass die Hand über und über tätowiert war. Bis zu den Fingerspitzen.«
»Haben Sie noch mehr von ihm gesehen?«, fragte Irene.
»Nichts. Nur die Hand. Die Fenster des Autos waren getönt.«
»Hatte der andere irgendwelche Tätowierungen?«
Irene wusste, dass Ritva das bei ihrem Anruf angegeben hatte, aber sie wollte die Information überprüfen.
»Ja. Ich habe sein Gesicht ja nicht von vorne gesehen, aber dafür sein Profil. Er hatte eine Tätowierung, die vom Hals bis auf die Wange reichte.«
»Haben Sie sehen können, was sie darstellte?«
»Nein. Obwohl ich mit meiner neuen Gleitsicht brille recht gut sehe, so hat diese doch Grenzen. Außerdem war ich mindestens fünfzig Meter von ihnen entfernt.«
Irene dachte nach, aber ihr fielen keine weiteren Fragen ein.
»Könnten Sie morgen bei uns vorbeikommen und unseren Phantombildzeichner treffen? Gegen halb acht? Zeichner ist vielleicht zu viel gesagt … die Bilder entstehen inzwischen
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