Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
stammten. Vor einigen Monaten war sie beim Einkaufen in der Stadt von einem Wolkenbruch überrascht worden und durchnässt ins Kunstmuseum geflüchtet. Dort war gerade eine große Ivarson-Ausstellung gezeigt worden. Seine bunten Gemälde gefielen ihr sofort. Motive von der schwedischen Westküste und aus Frankreich. Bevor sie ging, kaufte sie noch ein Plakat im Museumsshop. Sie wollte es rahmen lassen und zu Hause in der Diele aufhängen. Inge Schiölers Gemälde erkannte sie jetzt ebenfalls wieder. Den meisten Schweden waren sie geläufig, nicht zuletzt, weil sie bei verschiedenen großen Versteigerungen im Fernsehen zu sehen gewesen waren. Irene war zwar keine Kunstkennerin, wusste aber, dass die Werke beider Künstler bei Auktionen sehr hohe Preise erzielten. Ritva Ekholm besaß von beiden je zwei Gemälde.
»Ich habe sie geerbt.«
Irene zuckte zusammen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Ritva neben sie getreten war.
»Meine Eltern haben von meinem Großvater mütterlicherseits eine Kunstsammlung geerbt. Er hatte einige schöne Werke gekauft. Meine Mutter war aus Göteborg, zog aber nach der Hochzeit nach Åbo. Sie waren beide Lehrer und hatten also nicht sonderlich viel Geld. Die Gemälde von Großvater behielten sie aber. Nach ihrem Tod verkaufte ich fast die ganze Sammlung und kaufte mir diese Wohnung. Aber diese vier habe ich also noch. Sie sind meine Rentenversicherung.«
Sie lächelte und zog vielsagend die Brauen hoch.
»Sind deswegen so viele Schlösser an der Wohnungstür angebracht?«
»Ja. Die Versicherung verlangt das. Außerdem habe ich eine Alarmanlage, die ich einschalte, wenn ich nicht zu Hause bin. Der Alarm ist auch aktiviert, wenn ich zu Bett gehe.«
»Das hier ist ja regelrecht Fort Knox«, meinte Irene lächelnd.
»Ganz richtig.«
Ritva drehte sich um und ging auf ein riesiges schwarzes Ledersofa mit Diwan zu. Der Couchtisch bestand aus weißem Marmor auf einem Gestell aus Gusseisen. Irene fand ihn sehr hübsch. Vermutlich ließ er sich nicht bewegen. Auf dem Tisch stand ein übervoller blauer Aschenbecher, eine dilettantische Töpferarbeit. Zu der Sitzgruppe gehörte weiterhin ein großer, älterer Drehsessel. Der Flokati in verschie denen Grüntönen mit orangegelben Flecken passte farblich zu nichts im Zimmer.
»Bitte, nehmen Sie doch irgendwo Platz«, sagte Ritva und deutete einladend auf die Sitzecke.
Irene wählte den Drehsessel, der sich als äußerst bequem erwies.
»Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten? Oder einen Tee?«, fragte die Dozentin.
»Ich nehme, was Sie nehmen«, erwiderte Irene.
Ritva begab sich zur Küchenzeile. Sie füllte einen Wasserkocher und schaltete ihn ein. Aus einem Schrank nahm sie dann zwei unterschiedliche Becher und ein Glas Pulverkaffee und stellte sie auf ein kleines Tablett. Zwei Löffel, eine Tüte Milch und eine Schachtel Würfelzucker vollendeten das Werk. Sie schüttelte die Milchtüte und verzog unwillig das Gesicht.
»Die Milch ist fast alle. Ich bin nicht zum Einkaufen gekommen … obwohl ich heute ungewöhnlich früh zu Hause bin. Normalerweise komme ich immer erst viel später nach Hause. Ich bin Stammkundin beim 7-Eleven«, sagte sie und lächelte.
»Und dorthin waren Sie auch am Montagabend auf dem Weg?«, fragte Irene.
»Genau. Zigaretten und Brot waren alle.«
Mit einem lauten Knall schaltete sich der Wasserkocher aus, und Ritva ging ihn holen. Irene gab einen Löffel Kaffeepulver in ihren angeschlagenen Porzellanbecher mit Rosenmuster, und ihre Gastgeberin kehrte zurück und goss kochendes Wasser hinein. Das war ja nicht unbedingt, was Irene richtigen Kaffee nannte. Wenn sie gewusst hätte, dass sie Pulverkaffee bekommen würde, hätte sie vermutlich Tee gewählt.
»Milch? Zucker?«
Irene lehnte ab, und Ritva tat vier Stück Würfelzucker und die restliche Milch in ihren limonengrünen Tonbecher. Sie streckte sich auf der Diwanhälfte des Sofas aus und lehnte sich gegen die Rückenkissen, gleichzeitig fischte sie eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche. Irene schüttelte den Kopf, als ihr Ritva das Päckchen hinhielt. Achselzuckend nahm die Dozentin anschließend selbst eine Zigarette. Sie zündete sie an und inhalierte tief. Dann ließ sie den Rauch langsam durch die Nase entweichen.
»Montagabend. Deswegen sind Sie hier«, sagte sie und nahm einen weiteren Zug.
»Ja. Ihre Beobachtungen sind für unsere Ermittlung im Fall des Autosprengsatzes von Interesse«, antwortete Irene.
Ritva Ekholm nickte nachdenklich und
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