Im sinnlichen Bann des Sizilianers
die Luft gab.
Sie zog sich ihren hellen Seidenschal, den sie über einem ärmellosen Kleid trug, fester um die Schultern. Sie besaß nicht viele elegante Kleider. Da sie kaum ausging, war das gar nicht nötig, ihre Garderobe konnte man eher als bequem und leger beschreiben. Jedenfalls war sie nicht annähernd so glamourös wie die der meisten anderen Gäste des Hotels. Das Leinenkleid von heute Abend war schon drei Jahre alt, und es saß mittlerweile etwas zu locker, wie Louise auffiel. Seit dem Tod ihrer Großeltern hatte sie vor Stress und Kummer ein paar Pfunde verloren.
Nachdenklich rieb sie sich mit den Händen über ihre Arme, genau dort, wo Caesar sie berührt hatte. Louise zog sich der Magen zusammen, als sie an die peinliche Abschiedsszene dachte. Caesar hatte sie an sich gezogen, woraufhin sie erwartungsvoll die Augen geschlossen und ihren Kopf leicht zur Seite geneigt hatte, um seinen Kuss zu erwidern – der dann aber hastig irgendwo in der Luft landete!
Wie gern hätte sie diesen erniedrigenden Vorfall rückgängig gemacht!
Obwohl Caesars warmer Atem sich wunderbar angefühlt hatte. Sie hatte seine direkte Nähe mit all ihren Sinnen gespürt … und genossen. Vor allem, weil sie daran erinnert wurde, wie es war, ganz mit ihm zu verschmelzen. Allerdings gehörten diese Empfindungen ebenfalls der Vergangenheit an. Es würde die Dinge zu kompliziert machen, wenn sie der alten Leidenschaft zwischen ihnen nachgab.
Vermutlich verwechselte sie erotische Lust mit dem Wunsch, vor ihrem Sohn ein glückliches Paar abzugeben. Der Junge hatte das natürliche Bedürfnis nach einer stabilen Familie, und das setzte schließlich auch eine überzeugende Partnerschaft der Eltern voraus. Daher redete Louise sich wahrscheinlich ein, Caesar auch körperlich nahe sein zu müssen, aber so weit durfte es nicht kommen. Sie würde es einfach nicht zulassen.
Ihre Ehe war eine Zweckgemeinschaft, die um Ollies Willen geschlossen wurde. Ein persönlicher Vorteil für Louise selbst war nicht vorgesehen, damit musste sie sich abfinden. Außerdem wollte sie es auch gar nicht anders!
In der Bücherei des castello saß Caesar an seinem alten, großen Schreibtisch und beugte sich mit gerunzelter Stirn über ein paar Papiere. Man hatte sie ihm früher am Abend per Fax zugesandt. Absender war die Detektei, die er in aller Diskretion mit der Untersuchung von Louises Leben beauftragt hatte. Er wollte jedes Detail über sie erfahren, Vergangenes und Gegenwärtiges, um jeder unangenehmen Überraschung vorzubeugen.
Sie war die Mutter seines Kindes, da schien es ihm ein nachvollziehbares Bedürfnis zu sein, in alle Aspekte ihres Lebens eingeweiht zu werden. Das war auch für seinen Sohn das Beste, wie er fand.
Seit sie ihm auf dem Friedhof wieder begegnet war, wusste er, wie sehr sie sich verändert hatte. Worauf er aber nicht gefasst war: Die junge Louise von früher hatte Unglaubliches von ihrem Vater und dessen neuer Lebensgefährtin erdulden müssen.
Im Bericht standen hauptsächlich unvoreingenommene Fakten, aber er hatte keinerlei Schwierigkeiten, zwischen den Zeilen zu lesen. Schon seit ihrer Geburt stand Louise den eigentlichen Ambitionen ihres Vaters offensichtlich im Weg. Er warf ihr indirekt vor, überhaupt zu existieren, und wies sie konsequent zurück, ganz egal, wie sehr sie sich um seine Liebe bemühte.
Wut und Mitleid ließen Caesars schlechtes Gewissen bis ins Unermessliche wachsen. Nun hatte er schwarz auf weiß vor sich, wie es Louise ergangen war, nachdem er sie hatte fallen lassen. Das konnte er weder ignorieren noch beschönigen. Wie konnte ein Vater sein eigen Fleisch und Blut so schrecklich behandeln? Und er selbst hatte noch dazu beigetragen, dass Louise zusätzlich gedemütigt wurde.
Warum bloß hatte er sich damals nicht die Zeit genommen, die ganze Situation genauer unter die Lupe zu nehmen? Stattdessen hatte er die Augen vor der Realität verschlossen und sich in Selbstmitleid gebadet, weil es ihm nicht gelingen wollte, seine Gefühle für einen anderen Menschen in den Griff zu bekommen. Und schlimmer noch: Er hatte sich eingeredet, dass Louise es nicht wert war, von ihm begehrt zu werden. Das würde er sich nie verzeihen können.
Damals war sie zu ihm gekommen, weil sie sich nach einer echten Beziehung sehnte, nachdem ihr Vater sie emotional aushungern ließ. Und Caesar hatte das nicht erkannt. Er hatte ihr eine brutale Abfuhr erteilt, weil ihm die Intensität seiner eigenen Gefühle eine Heidenangst
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