Im Sog der Angst
Völkermord in Ruanda verhaftet. Davor hatte Nzabakaza als Verwalter in einem Gefängnis am Stadtrand von Kigali gearbeitet. Die meisten Häftlinge waren Hutus. Als die Ausschreitungen begannen, schloss Nzabakaza ihre Zellen auf, bewaffnete sie mit Speeren, Macheten und Keulen und allen Feuerwaffen, die er finden konnte, und ließ sie auf Häuser der Tutsis los. Es war ein Familienausflug; Nzabakazas Frau und seine noch nicht volljährigen Söhne nahmen daran teil und jubelten den Mördern zu, während diese Frauen vergewaltigten oder auf sie einhackten. Bevor das alles endlich ans Licht kam und Nzabakaza in Genf verhaftet wurde, hatte er einen neuen Job gefunden. Er arbeitete als Ermittler für den Internationalen Gerichtshof, der für die Verbrechen in Ruanda eingerichtet worden war. Albin Larsen half ihm, diese Stellung zu bekommen. Larsen hat das Gleiche auch für andere Personen getan, von denen nachträglich mehrere als mutmaßliche Mittäter am Völkermord identifiziert worden sind.«
»Die Bösewichter arbeiten für das Gericht, vor dem ihnen der Prozess gemacht werden soll.«
»Stellen Sie sich vor, Göring oder Keitel wären vom Nürnberger Gerichtshof bezahlt worden.«
»Ist Larsen eine Art hohes Tier unter den Hutus?«
»Larsen war - er ist ein Opportunist. Seine Referenzen sind untadelig. Er ist Doktor der Psychologie, Professor in Schweden und in den Vereinigten Staaten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist er Mitarbeiter der UNO und mehrerer anderer humanitärer Organisationen.«
»Ein Menschenrechtsexperte«, sagte ich.
Bumaya öffnete den weißen Umschlag und nahm ein kleines Farbfoto heraus, das er in die Mitte des Tisches legte.
Zwei lächelnde Jungen in weißen Hemden und karierten Schulkrawatten. Glänzende, ebenholzfarbene Haut, klare Augen, kurz geschnittene Haare, weiße Zähne. Der eine ein bisschen älter als der andere; ich schätzte sie auf neun und elf.
»Diese Jungen«, sagte Bumaya, »sind Joshua und Samuel Bangwa. Zu der Zeit, als das Foto gemacht wurde, waren sie acht und zehn. Joshua war ein ausgezeichneter Schüler, der für Naturwissenschaften schwärmte, und Samuel, der ältere Junge, war ein ausgezeichneter Sportler. Ihre Eltern waren Adventisten vom Siebenten Tag, die an einer Konfessionsschule im Dorf Butare unterrichteten. Kurz nachdem Kigali an die aufständischen Hutus gefallen war, wurde Butare zum Ziel eines Angriffs, weil es eine vornehmlich von Tutsis bewohnte Gemeinde war. Die Eltern der Jungen wurden von Laurent Nzabakazas Männern abgeschlachtet. Ihre Mutter wurde mehrfach vergewaltigt, vor und nach ihrem Tod. Joshua und Samuel, die in einem Schrank verborgen waren und alles durch einen Spalt in der Tür beobachteten, entkamen und wurden schließlich von einem Priester der Adventisten aus Ruanda herausgeschafft. Als wichtige Zeugen gegen Nzabakaza wurden sie nach Lagos gebracht und in einem UN-Internat untergebracht, das von Diplomatenkindern und dem Nachwuchs von nigerianischen Regierungsbeamten besucht wurde. Zwei Wochen nach der Festnahme Laurent Nzabakazas in der Schweiz erschienen die Jungen nicht zum Frühstück. Als man in ihrem Zimmer nachsah, fand man beide mit aufgeschlitzter Kehle in ihren Betten. Ein einziger Schnitt mit einem Rasiermesser bei jedem Kind, keine verschwendete Energie.«
»Ein Profi«, sagte Milo.
Bumaya nahm das Limettenstück aus seinem Glas, saugte daran und legte es wieder hinein. »Die Schule war eine unter Bewachung stehende, sichere Einrichtung, Detective, und es gab keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Der Fall bleibt ungeklärt.«
»Und Albin Larsen...«<
»Fungierte als psychologischer Berater der Schule, obwohl er selten in dem Gebäude war. Allerdings traf er eine Woche vor der Ermordung der Jungen in Lagos ein und belegte ein Zimmer im Flügel des Lehrkörpers. Der angebliche Grund für seinen Besuch war eine Klassifizierung der Schule im Auftrag der UNO. Während er dort war, hat er sich auch an anderen Aktivitäten vor Ort beteiligt.«
»Zum Beispiel...«<
»Lassen Sie mich bitte ausreden«, sagte Bumaya. »Es wurde festgestellt, dass Larsen die Schule eigentlich erst mehrere Monate später inspizieren sollte und beschloss, den Termin vorzuverlegen.«
»Glauben Sie, er hat die beiden Jungs umgebracht?«, fragte Milo.
Bumaya legte die Stirn in Falten. »Meines Wissens gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Larsen je gewalttätig wurde. Allerdings ist bekannt, dass er mit gewalttätigen Leuten zu tun
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