Im Sog der Gefahr
biss die Zähne zusammen. »Das Arschloch hatte ich ganz vergessen.«
»Ich nicht.«
Finn fuhr zusammen.
»Ich meinte nicht …« Sie presste die Lippen zusammen und brachte nicht zu Ende, was sie gerade hatte sagen wollen. Er sah, wie sie nervös schluckte. »Bis dieser Fall gelöst ist, habe ich ihn am Hals.«
»Sie könnten Ihren Vater bitten, ihn von dem Fall abzuziehen.«
»Klar, das könnte ich.« Ihre grauen Augen blickten wieder zum Himmel. »Aber ich will keine Sonderbehandlung, weil mein Vater der Deputy Commissioner von British Columbia ist.«
»Passen Sie nur auf, dass sie Furlong auf Ihrer Seite haben, Holly. Der bescheißt Sie, ohne mit der Wimper zu zucken.«
Holly lächelte. »Oh ja. Guter Tipp.«
Eigentlich hätte er dringend etwas trinken müssen, doch er genoss das raue Gefühl in seiner Kehle. Diese kleine Unannehmlichkeit erinnerte ihn daran, dass er noch am Leben war, während Gina definitiv und unwiderruflich tot war. »Heute Morgen bin ich zum Pachena Beach joggen gegangen, weil es da eine Frau gibt, die ich nicht aus dem Kopf bekomme. Ich habe noch eine Runde drangehängt, um sie zu vergessen, und dabei bin ich hier gelandet.« Das Leben war verdammt noch mal zu kurz, um Spielchen zu spielen, und er wollte sich nicht mehr vor seinen Gefühlen verstecken.
Ihre Augen verdunkelten sich, aber sie wandte den Blick nicht ab.
Die Hände zu Fäusten geballt, fuhr er fort: »Aber ich will sie nicht mehr vergessen.« Er schob das Bild von Ginas Leiche aus seinem Kopf. »Ich bin lange genug vor dem weggelaufen, was zwischen uns ist, Holly.«
»Das ist nur sexuelle Anziehung«, sagte sie leise.
Es trug nicht gerade dazu bei, seinen Puls zu beruhigen. »Nein, ist es nicht. Davon abgesehen töten Menschen schon für weniger.«
»Wenn Sie irgendetwas über Ginas Beziehungen wissen, müssen Sie es mir sagen.«
Sie wich dem persönlichen Gespräch aus, das er zu führen versuchte. Außerdem war er es Gina verdammt noch mal schuldig, die Klappe zu halten, damit Holly ihre Arbeit machen und den Mörder finden konnte. Das hier war schließlich kein beschissener Abschlussball.
Als ein weiteres Fahrzeug den Weg hinaufrumpelte, stand Holly auf.
»Wer zum Geier ist das denn?« Finn kam auf die Füße. »Ach herrje.«
Aber er war zu langsam. Schon hatte Brent sich mit einem animalischen Brüllen an Malone vorbeigedrängt und rannte auf die offen stehende Tür von Ginas Haus zu. Finn lief schneller, um Brent aufzuhalten, und rammte ihn mit voller Wucht. Beide landeten so hart auf der Veranda, dass das Haus erbebte. Brent kämpfte erbittert, stieß Finn die flache Hand vor die Nase, den Ellbogen aufs Ohr und das Knie zwischen die Beine, aber Finn wich dem Schlimmsten aus und hielt seinen Bruder mit aller Kraft fest. Er warf Brent herum, sodass dieser mit dem Gesicht nach unten auf dem Holz lag. Sein Bruder durfte nicht zu sehen kriegen, was Gina angetan worden war. Das würde ihn vernichten.
Brent brüllte wie ein Stier und konnte Finn fast von seinem Rücken abschütteln. »Gina«, keuchte er. »Geht es ihr gut? Sag es mir, Finn. Scheiße, sag es mir!«
Finn drehte seinem Bruder beide Arme weit auf den Rücken, nur um ihn festzuhalten und so weit zu beruhigen, dass er mit ihm reden und die Nachrichten überbringen konnte. Malone ließ Handschellen um Brents Handgelenke schnappen.
»Hey!« Finn packte Malone am Arm.
Malone schüttelte ihn ab. »Zwingen Sie mich nicht, Sie ebenfalls zu verhaften.«
»Sie dürfen Ihn nicht festnehmen!«
»Er hat einen Polizisten angegriffen.« Malone zerrte Brent auf die Füße, seine Kiefermuskeln spannten sich. Als Holly leicht den Kopf schüttelte, wich er einen Millimeter zurück.
»Wo ist sie? Was ist mit Gina passiert?« Brents Blick hing unverwandt an Finns Gesicht. »Ich habe einen Anruf bekommen. In dieser Straße soll es einen Mord gegeben haben.« Seine Stimme wurde extrem ruhig. »Wo ist Gina, Finn?«
Gewaltsam presste er die Worte hervor. »Sie ist tot, Brent. Jemand hat sie umgebracht.«
Sein Bruder fiel auf die Knie und schrie, als risse ihm jemand das Herz heraus. Das Geräusch durchbohrte Finn wie ein Bajonett. Brents Geschrei erfüllte die Luft. Tiefe, laute Schluchzer der Trauer, als wäre nichts auf der Welt mehr wichtig.
»Wir müssen Ihnen einige Fragen stellen, Mr Carver.« Holly beugte sich zu Brent vor. »Wir werden Sie nach Port Alberni bringen, um dort Ihre Aussage aufzunehmen. Sie werden nicht wegen tätlichen Angriffs verhaftet, und
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