Im Sog der Gefahr
Coropral Malone wird Ihnen die Handschellen abnehmen, solange Sie sich vernünftig benehmen.«
Malone starrte sie ungläubig an, aber Holly ignorierte ihn.
»Sie wissen, wie das läuft. Wenn Sie sich uns widersetzen oder in dieses Haus laufen und unseren Tatort kontaminieren, sieht es schlecht für Sie aus. Sehr schlecht. Wenn Sie also nichts zu verbergen haben und uns helfen wollen, Ginas Mörder zu finden, müssen Sie ruhig bleiben und uns alles sagen, was Sie wissen. Haben Sie das verstanden?«
Das Weiße in Brents Augen war leuchtend rot geworden. Er hob das Kinn.
»Haben Sie das verstanden, Mr Carver?«
Ein Zittern überlief Finn, als er sah, wie Brents Augen von einem Moment auf den anderen erloschen. Hatten sie vorher schon kalt gewirkt, sahen sie jetzt aus wie in einem Tiefkühlfach in der Leichenhalle. Brent nickte. Keine Emotionen mehr, keine Tränen. Kein Brüllen vor Schmerz. Ruhig ging er zum SUV , wo Malone ihm auf den Rücksitz half, die Hände noch immer in Handschellen.
Es brach Finn das Herz. »Soll ich auch mitkommen?«
Holly schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Ich werde Ihre Aussage aufnehmen, während ich hier auf Verstärkung und den Gerichtsmediziner warte. Ich brauche von Ihnen die Namen der Jungs aus dem unteren Blockhaus. Dann können Sie Ihre Arbeit im Institut wiederaufnehmen. Vernehmen werde ich Sie später.«
»Ich besorge Brent einen Anwalt.«
Ihre Augen blitzten auf.
»Er ist mein Bruder, Holly. Er ist ein Exhäftling, und er hat es nicht getan.«
Ihre Augen verengten sich. »Tun Sie, was Sie tun müssen. Aber sagen Sie niemandem, was Sie da drin gesehen haben.« Sie deutete mit dem Finger auf das Haus. »Im Augenblick sind wir die Einzigen, die wissen, was mit ihr passiert ist …«
»Bis auf den Mörder.«
»Genau.«
Finns Blick wanderte von dem hoffnungslosen Gesicht seines Bruders zu Hollys schmalem Rücken, als diese davonging. Plötzlich waren sie so weit voneinander entfernt, dass der Pazifik zwischen ihnen Platz gehabt hätte. Und mit achthundert Stundenkilometern raste ein Orkan der Kategorie fünf auf sie zu.
14
Die Wunde in Ginas Brust schimmerte dunkel, während das Blut auf ihrer hellen Haut verkrustete und trocknete. Es war an ihrer Brust heruntergelaufen und in die Matratze gesickert. Der Gerichtsmediziner beugte sich über sie und betrachtete prüfend die Wunde, drückte mit einem zufriedenen Grunzen den Daumen in das geschwollene Fleisch und betrieb seine alchemistische Zauberei. »Hier am Tatort kann ich Ihnen nur ein grobes Zeitfenster für den Todeszeitpunkt nennen, das wissen Sie ja.«
George Magolis war ein methodischer und vorsichtiger Mann, der seine Worte ebenso sorgsam bemaß wie die Temperatur der Leiche.
»Die Leichenstarre ist noch voll ausgeprägt.«
»Hmmm.«
Holly bewahrte Geduld. Sollte sie einmal auf einen Pathologen treffen, der am Tatort auch nur eine einzige verbindliche Aussage machte, würde sie auf der Stelle einen Freudentanz aufführen.
»Geben Sie mir etwas, womit ich arbeiten kann, George. Ich habe zwei Leichen, beide mit Messerstichen im Herzen, und ein ganzes Dorf voller Verdächtiger. Wenn ich von Ihnen einen Todeszeitpunkt bekomme, kann ich anfangen, Personen von der Liste der Verdächtigen zu streichen.« Sie schob die Hände tief in die Taschen und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.
Der Mann warf theatralisch den Kopf zurück und sah Holly mitleidig an. »Und wenn ich den Todeszeitpunkt nach der Autopsie ändere, sind Sie sauer und stehen wieder am Anfang.« Hochmütige Brauen hoben sich über geröteten Wangen.
»Ja«, brachte sie zwischen den Zähnen hervor. Gott, sie hasste Ärzte einfach.
»Hey, was ist mit Ihrem Gesicht passiert?« Offenbar hatte er ihre Blutergüsse gerade erst bemerkt. Im Umgang mit Toten war er wesentlich besser.
»Hab ’nen Airbag geknutscht.«
»Sie kommen nicht genug raus.« Er wandte sich wieder der Leiche zu, während Holly dem Drang widerstand, im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie hatte Chastain und Messenger zu Brent Carvers Haus geschickt, wo sie auf einen Durchsuchungsbeschluss warten sollten.
Vielleicht ließ sie sich zu leicht beeinflussen, aber sie hielt den Mann nicht für schuldig. Die Trauer war zu roh, zu mächtig gewesen. Ein Durchsuchungsbeschluss sollte dazu beitragen, den Verdacht gegen ihn zu zerstreuen, wenn sie nicht gerade blutverschmierte Kleidung oder Messer fanden, die er versteckt hatte. Allerdings bezweifelte sie, dass Finn das auch so
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