Im Sog der Gefahr
Blut aus ihren Wangen wich. »Ich prostituiere mich nicht, um an Informationen zu kommen.«
»Das habe ich auch nie behauptet.« Er runzelte die Stirn, doch dann begriff er. Sie dachte, er hätte andeuten wollen, dass sie leicht zu haben wäre, weil sie mit ihrem Chef geschlafen hatte. Aber obwohl der scharfe Stachel der Eifersucht für ihn völlig überraschend gekommen war, hatte er es so nicht gemeint. Mike war derjenige, der leicht zu haben war. Wenn der Kerl eine Frau auch nur witterte, musste er versuchen, sie rumzukriegen. Aber vielleicht war es genau das, was er brauchte, um einen Keil zwischen sie zu treiben. Er mochte sie verdammt noch mal mehr, als ihm lieb war.
»Weiß Ihr Team, dass Sie allein hier unten sind?« Er hielt auf die Anlegestelle des Forschungszentrums zu.
»Das geht Sie nichts an.«
»Ja, das dachte ich mir. Wo wohnen Sie? Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit auf die andere Seite des Meeresarms? Das Wassertaxi hat nämlich vor zehn Minuten den Betrieb eingestellt.«
In einem kurzen Aufflackern von Ärger presste sie ihre prallen Lippen zusammen. Aber er würde nicht herumstehen und auf ihre Entscheidung warten. Schließlich war sie ein großes Mädchen und konnte selbst entscheiden. Er lief die Promenade entlang, die den Meeresarm säumte. Der Wind wehte das sanfte Rauschen des Wassers heran. Schweigend wog Holly gegeneinander ab, ob sie – unbewaffnet – in die Bar zurückkehren oder ihm folgen sollte. Zum Glück beschloss sie, ihm zu folgen.
»Mr Dryzek schien Ihnen gegenüber ein wenig misstrauisch zu sein, Mr Carver. Woran könnte das liegen?«
Sie war verdammt hartnäckig, so viel war sicher.
»Die meisten Leute sind mir gegenüber misstrauisch. Wäre es Ihnen lieber, wenn wir beste Kumpels wären?«
»Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie überhaupt nicht dort gewesen wären.«
Gegen seinen Willen verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. »Soll ich demnächst einen Peilsender tragen?«
Sie lachte schnaubend. »Ich werde sehen, was ich auftreiben kann.« In der kühlen Nachtluft zog sie ihre Jeansjacke enger um sich. Die Sterne standen hell am Himmel und beschienen ihren Weg. Im Wald hinter ihnen quakten Frösche.
Bis zur Anlegestelle waren es nur fünf Minuten Fußweg. Finn deutete auf das Ruderboot. »Steigen Sie ein.«
Sie tat es ohne zu zögern, und er warf ihr eine Schwimmweste zu. Dann stieg er auf der anderen Seite ein, löste die Leinen und stieß sich vom Steg ab. »Wenn Sie ganz leise sind, kriegen wir vielleicht einen Wal zu sehen.«
»Versuchen Sie, mich zum Schweigen zu bringen?«
Eigentlich war sie schon ziemlich still. Er war nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war. »Einen Versuch war es wert.«
Friedvolle Ruhe lag über diesem atemberaubenden Fleckchen Erde, aber er konnte beinahe die Gedanken hören, die in Hollys Kopf wie Tümmler ihre Kreise zogen. Weil die Strömung an den Riemen zerrte, wenn sie das Wasser teilten, konzentrierte er sich mehr aufs Rudern als auf Holly. Nicht einmal eine Minute dauerte die Fahrt, dann half er ihr auf der anderen Seite beim Aussteigen. Er hielt ihre Hand einen Augenblick zu lange fest und kostete die Spannung aus, die bei jeder Berührung zwischen ihnen funkte.
Sie schluckte und zog die Hand weg. »Vielen Dank fürs Mitnehmen, Mr Carver.«
»Finn«, sagte er.
»Was?« Vor Verwirrung bildeten sich Fältchen um ihre Augen.
»Nennen Sie mich Finn. Wie vorhin.« Er sagte nicht, dass es ihm gefiel, wie sein Name aus ihrem Mund klang. So erbärmlich war er nicht.
Er trat einen Schritt näher, und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Elektrische Spannung knisterte zwischen ihnen und entfachte eine Erregung und ein Verlangen in ihm, wie er es seit Monaten nicht mehr gespürt hatte.
Ihre Lippen teilten sich, als er nach dem Verschluss ihrer Schwimmweste griff. Langsam zog er den Reißverschluss herunter und wünschte, er müsste nicht an diesem Punkt aufhören. Aber zwischen ihnen stand mehr als nur der Baumwollstoff ihrer Kleidung.
Er warf die Weste ins Boot.
»Soll ich dich zu deinem Hotel begleiten?« Der Gedanke an ihren Kuss rief ihm in Erinnerung, dass er mit dem Feuer spielte. Wenn sie je dahinterkam, dass sie ihm nicht egal war, war er geliefert.
»Das war kein Date,
Mr Carver
. Ich denke, ich komme schon allein zurecht.« Ihre Stimme sollte eisig klingen, doch dafür zitterte sie zu sehr. Beide sahen sich nach dem großen Holzgebäude um, an dessen Frontseite ein großes Bild von einem Lachs
Weitere Kostenlose Bücher