Im Sog der Gefahr
seine Leiche wurde draußen am Crow Point gefunden.«
Dass die Leiche in dem Wrack gefunden worden war, hatte die RCMP noch nicht veröffentlicht. Bisher hatten sie nicht einmal genauere Einzelheiten zu dem neuen Wrack an die Öffentlichkeit gegeben, aber Bamfield war ein kleines Dorf. Die Neuigkeit hatte schnell die Runde gemacht.
»Wir versuchen, herauszufinden, was Mr Milbank dort draußen gemacht hat.«
Brent Carver öffnete die Augen und sah sie direkt an. Holly musste blinzeln, weil er genau die gleiche Augenfarbe hatte wie Finn, aber sein Blick war kalt und leer.
»Warum fragen Sie das ausgerechnet mich?«
»Sie waren zur gleichen Zeit wie Mr Milbank im Wilkinson-Gefängnis.«
»Ich und über dreihundert Mithäftlinge.«
»Aber Sie kannten ihn?«, hakte Holly nach.
»Wir waren keine Freunde.« Er stellte seine Tasse auf dem massiven Eichentisch neben dem Sofa ab.
»Danach habe ich nicht gefragt.«
Als sich sein Mundwinkel hob, erschien eine Falte auf seiner Wange. »Ich kannte ihn.«
»Wann haben Sie Mr Milbank zuletzt gesehen?«
»Das weiß ich nicht mehr genau.«
»Haben Sie ihn seit Ihrer Entlassung aus dem Gefängnis gesehen?« Holly beobachtete sein Gesicht genau.
Ein Schulterzucken. »Flüchtig.«
»Tauchen Sie?«
Sein Gesicht wurde zur Knautschzone, während er in einem Ganzkörpergähnen alle Glieder von sich streckte. »Manchmal. Zu selten.«
»Können wir Ihre Ausrüstung sehen?«
»Besorgen Sie sich einen Durchsuchungsbeschluss.«
»Haben Sie etwas zu verbergen?«, fragte Malone.
Carver stieß ein scharfes Lachen aus. »Eher etwas zu verlieren. Etwas, an das ich mich sehr gewöhnt habe. Meine Freiheit.«
»In den letzten zwei Wochen haben Sie nicht mit Mr Milbank gesprochen?«
Er beobachtete sie wie ein Tiger ein Kaninchen. Es war lange her, dass sie sich wie ein Kaninchen vorgekommen war. »Nein.«
»Wovon leben Sie, Mr Carver?«
»Inwiefern ist das relevant?«
Holly versuchte, zu lächeln, aber ihre Blutergüsse störten dabei.
Aua!
»Wir versuchen uns nur ein Bild von Ihren Lebensumständen zu machen, Mr Carver. Und herauszufinden, wie Sie sich das alles leisten können.« Sie deutete auf das schimmernde Holz, die glänzenden neuen Geräte und die riesige Landschaft in Öl, die über dem Kamin hing.
»Sie wollen es sich bei Ihrer Ermittlung einfach machen und es dem Exknacki anhängen.« Seine Lippen krümmten sich. In seinen Augen lag keine Sympathie für die Polizei.
»Sie haben Ihren Vater umgebracht.« Malone kam um die Kücheninsel herum. »Sie müssen gewusst haben, dass Sie ganz oben auf der Liste der Verdächtigen stehen würden.«
»Oh, das wusste ich. Nur deswegen habe ich Sie überhaupt hereingelassen. Fehlende Fantasie war schon immer ein Problem von Polizisten.« Brent Carver erhob sich von seinem Sofa und kam mühsam auf die Füße. »Ich bitte Sie jetzt zu gehen. Ich habe zu arbeiten.« Sein Lächeln war starr und kalt, seidiges Unbehagen kroch Holly den Rücken hinauf.
Lächelnd schüttelte Malone den Kopf und wandte sich zum Gehen.
Ein düsterer Ausdruck huschte über Brents Gesicht. »Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«
Holly berührte ihre Nase. »Autounfall. Jemand hat mich von der Straße abgedrängt.«
Sein Lachen ließ ihr das Blut gefrieren. »Also ist Ihre nächste Frage, wo ich gestern Nachmittag war?«
»Woher wissen Sie, wann der Unfall passiert ist?«
Er hob eine Hand, als wollte er Hollys Gesicht berühren. Als sie erstarrte, ließ er die Hand wieder sinken. »Sagen wir einfach, ich habe eine Menge Erfahrung mit Blutergüssen.«
Plötzlich fand sie sich neben Malone auf der hinteren Veranda wieder und starrte auf die verschlossene Tür des luxuriösen Holzhauses.
Malone ließ die Schultern kreisen. »Ich würde sagen, wir haben einen möglichen Verdächtigen, Sergeant. Soll ich versuchen, einen Durchsuchungsbeschluss zu bekommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Im Augenblick haben wir nichts gegen ihn in der Hand. Nicht einmal Indizien. Lassen wir ihn schmoren und graben weiter.«
Finn stand vor dem kleinen Supermarkt und streichelte die Englische Bulldogge einer Familie aus dem Dorf, während er auf Laura wartete, die sich noch einige Lebensmittel für den Heimweg sicherte. Heute war das Versorgungsschiff eingelaufen, und die frischen Sachen hielten nie lange vor. Laura lebte allein auf der Westseite des Meeresarms, ganz in der Nähe der Stelle, wo Finn aufgewachsen war. Als sie sich im vergangenen Sommer zufällig in diesem
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