Im Sog der Sinnlichkeit
und knapp. Ständig war er bemüht, alles richtig zu machen, und sie kam ihm andauernd in die Quere. Er funkelte sie wütend an.
„Ich dachte, das sollte Ihnen klar sein.“ Er hätte ihr nicht sagen dürfen, dass sie begehrenswert war. In ihrer Stimme lag nur ein winziger Zweifel.
„Halten Sie es tatsächlich für eine gute Idee, mitten in der Nacht im Schlafzimmer eines Mannes aufzutauchen? Normalerweise ergreifen Männer die Initiative in derlei Dingen.“
„Warum?“
„Männer haben den größeren Appetit.“ Er beobachtete sie aus zusammengekniffenen Augen.
„Das ist doch lächerlich“, verkündete sie. „Sie haben mich schon mehrmals wegen meines Appetits auf Süßigkeiten verspottet.“
Als gäbe es nicht schon genügend Beweise für ihre Unschuld! „Nicht diesen Appetit, kleine Närrin. Ich spreche von sexuellem Appetit.“
Beim Wort sexuell blinzelte sie verlegen, was ihn zu einem dünnen Lächeln veranlasste. Sie war nicht annähernd so verwegen, wie sie sich den Anschein geben wollte.
„Aber wenn Frauen weniger … sexuellen Appetit haben, wieso schaffen es Männer dann, Frauen zu verführen? Das kann doch nicht stimmen.“
„Paare mit großem Appetit finden einander, genau wie Paare mit geringem Interesse an Aktivitäten im Bett.“
„Und zu welcher Sorte zählen Sie?“, fragte sie gurrend.
Ein schwacher Versuch, ihn zu reizen, der aber an ihm abprallte. „Ich denke, Sie wissen sehr wohl über das Maß meines sexuellen Appetits Bescheid, Lady Carstairs.“
„Sie nannten mich bereits Melisande.“
„Was Sie wohl als eine Art Blankovollmacht missverstanden haben. Wie kann ich mich deutlicher ausdrücken? Ihre Bestechungsversuche sind vergeblich. Ich dulde nicht, dass Sie sich in diese heikle Sache einmischen, und Ihr Angebot reizt mich nicht. Ich begehre Sie nicht. Ich will Sie nicht. Sie haben mir nichts zu bieten, was ich mir von einer Mätresse wünsche. Sie sind unerfahren und ungeschickt. Ihre Entscheidung, ein enthaltsames Leben zu führen, war genau richtig. Nun ziehen Sie sich an, während ich den Wagen vorfahren lasse.“
Er war bereits an der Tür, als er diesen Laut hörte, einen winzigen unterdrückten Laut. Er verharrte. Wer zögert, ist verloren, dachte er und drehte sich dennoch um.
Er machte sich auf einen Wutausbruch gefasst. Funkensprühende Augen, ein Tränenmeer, schneidende Worte höchster Empörung. Stattdessen sah sie aus, als habe er soeben ihren Lieblingshund erschossen. Sie saß zusammengekauert auf dem Bett, mutlos und verloren. Und er verfluchte seine scharfe Zunge, die er nie im Zaum halten konnte.
Sie kämpfte tapfer um den letzten Rest ihrer Würde, bemühte sich um ein sorgloses Lächeln und schlug die Bettdecke zurück. „Wissen Sie, ich denke, ich habe meine Meinung geändert.“ Sie schwang die Beine aus dem Bett, und er sah den Verband um ihren Fuß.
Es waren ihre Zehen, die alles veränderten. Er hätte ihre hübschen, wohlgeformten rosigen Zehen beinahe vergessen. Völlig absurd, denn weibliche Füße hatten ihn nie interessiert, gab es doch so viele köstliche Regionen weiter oben. Es war die Zartheit ihrer Zehen, ihre kindliche Schutzlosigkeit. Tagelang hatte er mit ihr gestritten, sich in Wortgefechten mit ihr gemessen, hatte an sie als Kämpferin, Ärgernis, Feindin und ja, auch als erotisches Spielzeug gedacht.
Und nun sah er in ihr nur eine schutzlose Frau, die er mit harten grausamen Worten vernichtet hatte. Und damit war erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Sie würde ihn meiden wie die Pest und nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollen.
Und das konnte er nicht ertragen.
Er schloss die Tür wieder, lehnte sich dagegen, drehte den Schlüssel um und zog ihn ab. „Zu dumm“, sagte er. „Denn auch ich habe meine Meinung geändert.“
25. KAPITEL
W as bin ich nur für eine unverbesserliche Närrin? dachte Melisande, verzweifelt darum bemüht, sich ihre tiefe Beschämung nicht anmerken zu lassen. Sie wagte kaum, Benedick Rohan anzuschauen, der sie kühl musterte. Sie spürte, dass er hinter die Fassade ihrer sorgsam errichteten Lässigkeit blickte und wusste, dass ihre Selbstsicherheit nur gespielt war. Er wusste, dass etwas in ihr schmolz, wenn sie ihn nur ansah, selbst wenn er sie mit beißendem Spott übergoss.
Und sie, dumme Gans, die sie war, hatte geglaubt, sie könne ihn um den Finger wickeln, ohne sich dabei zu verbrennen. Natürlich wäre er bereit, mit ihr zu schlafen, hatte sie gedacht; mit einer eiskalten
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