Im Sog Des Boesen
mit zwei Goth-Pärchen.
Dort fragte sie einen der Männer: »Hast du Roy gesehen?«
»Ja, der war hier irgendwo.«
»Ist seine Freundin bei ihm?«
»Ja.« Er reckte den Hals. »Vielleicht haben sie sich nach hinten verzogen.«
Sie gingen zu einem Bereich, wo weitere Nischen rund um eine ungefähr sechs mal sechs Meter große Tanzfläche angeordnet waren. Es lief noch keine Musik, und in den Nischen saßen nur drei Paare. Jean trat auf eines zu und fragte: »Habt ihr Roy gesehen?«
»Gerade war er noch da«, antwortete der Mann, und die Frau deutete auf einen Flur. »Ist aufs Klo, erst vor’ner Minute oder so.«
Lucas bedankte sich bei Jean und machte sich zu den Toiletten auf. Die für die Herren war leer.
Als er unverrichteter Dinge zu Jean zurückkehrte, sagte diese: »Ich schau bei den Damen nach.« Wenig später war auch sie wieder da. »Nur eine Person, aber nicht sie.«
»Sicher?«
»Roy hat sie als Fairy bezeichnet. Die Frau da drin ist fett.«
Lucas ging den Flur entlang, um zu überprüfen, ob er nach draußen führte, und stellte fest, dass er vorne im Hauptraum endete. Sie blickten sich noch einmal um. Einer der Männer, mit denen sie sich zuvor unterhalten hatten, deutete auf die Tür.
Als sie an seine Nische herantraten, fragte er: »Habt ihr sie gesehen? Sie sind grade raus.«
In der Gasse vor dem Club entdeckten sie lediglich zwei Männer, die offenbar ins A1 wollten. Lucas schaute hinüber zum Parkplatz. Der Camry stand nach wie vor dort. Er ging die Straße ein Stück hinunter. Hier waren Leute unterwegs, allerdings kein rothaariger Mann mit einem zierlichen Fairy-Mädchen.
Hatten sie sich in Luft aufgelöst?
SECHS
F airy und Loren nahmen den Honda, einen fünf Jahre alten schwarzen Prelude SH mit einer ganzen Menge PS unter der Motorhaube, hochgetunt von netten Asiaten in St. Paul. Die Sportfederung gab Fairy das Gefühl, im Batmobil zu sitzen.
Sie fuhren auf der I-494 in westlicher Richtung, dann die 35E entlang, später wieder westlich auf der I-94 und schließlich auf die Nicollet und weiter durch kleine Straßen, bis sie unter einer Ulme einen Parkplatz entdeckten. Als Fairy den Wagen abstellte, sagte Loren: »Ich wette, vor lauter Geilheit kommt er überpünktlich.«
»Spürst du Frances noch an ihm?«
»Ja. Ihren Geist und ihre Hand auf seiner Schulter.«
Im Rückspiegel sah Fairy die Scheinwerfer eines Wagens, der auf den Parkplatz des November einbog. Kurz darauf stieg Roy Carter aus, strich sich die Haare mit der Hand zurück und zog sein Hemd straff.
»Da ist er.«
»Dann mal los.«
Sie öffnete die Tür, kletterte hinaus, schüttelte den Rock aus. Ihre Handtasche, ein früheres Art-déco-Zigarettenetui aus Silber und Onyx, enthielt ihren Führerschein, zwei Kreditkarten, vier Fünfzig-Dollar-Noten und einen Zwanziger. Das Ding war so klein, dass es in einer Hand Platz hatte, und so cool, dass andere Goth-Frauen eher darauf achteten als auf ihr Gesicht.
Sie überquerte die Straße geschmeidig wie ein Puma; das
Messer in ihrer Jackentasche pochte wie ein zweites Herz. Im Innern des Lokals blieb sie an der Tür stehen, blickte sich um und warf die schwarzen Haare in den Nacken, als sie Roys Stimme hörte: »Süße.«
Fairy schaute schmunzelnd nach links. Er stand neben einem Tisch mit zwei Paaren. Sie grüßte sie mit einer knappen Geste und nickte dann Roy zu. Er war etwa vierundzwanzig, hatte ein pickeliges Jungengesicht und hellbraune Augen. Sie stellte ihn sich Jahre später als Kundenberater in einem braunen Anzug mit Namensschildchen auf dem Schreibtisch vor - doch dazu würde es nicht kommen.
»Suchen wir uns ein Plätzchen weiter hinten«, schlug sie vor.
»Gern. Möchtest du ein Glas Wein?«
»Suchen wir uns zuerst einen Tisch.«
Als sie nach hinten gingen, verschränkte sie die Finger ihrer Linken mit denen seiner Rechten, um sich von ihm führen zu lassen. Sie wusste, dass ihre Berührung auf ihn wie ein Stromstoß wirkte.
Sie sah in einen Spiegel; würde sie darin Francie oder deren Hand auf Roys Schulter entdecken? Nichts.
Als sie eine Nische erreichten und sie sich beim Setzen umdrehte, fiel ihr Blick auf den Eingang. Sie erstarrte. Ihr erster Gedanke war: Weg von hier.
Fairy wandte sich Roy zu: »Keine Fragen jetzt. Komm einfach mit.« Sie ergriff seine Hand und zog ihn den Flur zu den Toiletten entlang, der, so hoffte sie, zu einer hinteren Tür führte. Doch sie landeten wieder im Hauptraum.
»Was ist denn?«, flüsterte Roy.
»Schnell«,
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