Im Sommer der Sturme
dich um so etwas bitten?«
George sah Charmaine an. »Zum Wohl der Kinder. Paul ist der Meinung, dass Miss Ryan näher bei den Kindern schlafen soll, und hat ihr deshalb diesen Raum gegeben – und die Tür soll den Weg in der Nacht noch einfacher machen.«
»Aber dies ist Johns Zimmer!« Colette war wütend. »Das kannst du doch nicht einfach zerstören.«
»Ich denke nicht, dass ich es zerstört habe. Außerdem war das Ganze nicht meine Idee. Ich führe nur aus, was man mir aufgetragen hat.«
»Und was soll werden, wenn John nach Hause kommt?«
»Er kommt nicht, Colette, und das weißt du.«
»Aber eines Tages vielleicht doch«, murmelte sie, als der erste Ärger verraucht war. »Es wird ihn kränken, wenn jemand anderer in seinem Zimmer wohnt.«
Jeannette ergriff die Hand ihrer Mutter. »Reg dich nicht auf, Mama. Wir haben so viele Zimmer. Johnny macht es bestimmt nichts aus, woanders zu wohnen. Ich finde es schön, wenn Mademoiselle Charmaine so nahe bei uns ist. Vielleicht ist das ja unsere Geburtstagsüberraschung von Paul.«
Colette lächelte auf ihre Tochter hinunter. »Mag sein, dass du recht hast. Ich bin allerdings gespannt, was dein Vater sagt, wenn er dieses Chaos sieht.«
»Laut Paul hat er die Sache genehmigt«, sagte George.
Colette rieb sich die Stirn. »Das kann ich mir sogar vorstellen.« Sie wandte sich an die Mädchen. »Geht ein bisschen zur Seite, Kinder. George braucht Platz zum Arbeiten.«
»O bitte, Mama, dürfen wir zuschauen?«, bettelten sie.
Colette war unter der Bedingung einverstanden, dass sie sich auf dem Bett am anderen Ende niederließen. Die nächste Stunde verging mit angeregtem Geplauder, während George, Travis und Joseph sägten, hämmerten und Holzreste und Mörtel beseitigten, die überall herumlagen. Als Pierre genug hatte, zogen sich Colette und Charmaine mit ihm ins benachbarte Spielzimmer zurück. Rose entschuldigte sich, weil ihre Hilfe nicht länger gebraucht wurde.
Charmaine holte tief Luft. »Es tut mir leid, Colette, dass Paul nicht zuerst mit Ihnen gesprochen hat. Ich hatte keine Ahnung, dass er die Arbeiten sofort in Auftrag geben wollte. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er zuerst Ihre Erlaubnis einholt.«
Colette war sichtlich betroffen. »Sie wussten davon?«
»Paul hat es gestern Abend kurz erwähnt. Er hat vorgeschlagen …«
»Gestern Abend? Er ist doch gestern Abend erst spät nach Hause gekommen.«
Charmaine war zu überrascht, um etwas zu sagen, und Colette zog ihre Schlüsse daraus.
»Charmaine«, begann sie und hob die gefalteten Hände an die Lippen. »Ich denke, dass ich Sie vor Paul warnen sollte. Vielleicht hätte ich das schon früher tun sollen. Paul ist ein Schürzenjäger.« Als Charmaine den Kopf sinken ließ, war Colette bemüht, ihre Worte ein wenig abzumildern. »Ich möchte nicht, dass Ihnen wehgetan wird.«
»Seien Sie unbesorgt, Colette. Ich werde keine Schande über Ihr Haus bringen.«
»Ich spreche nicht von Schande, Charmaine. Ich will nur verhindern, dass Sie Ihr Herz an jemanden hängen, der nicht beabsichtigt, Ihre Gefühle zu erwidern.«
Die Worte schmerzten, aber Charmaine wusste, dass es die Wahrheit war. Ihr erster Eindruck war richtig gewesen. Paul hatte ihr einen Antrag gemacht, doch als sie sich nicht überreden ließ, hatte er die ganze Sache als Missverständnis hingestellt. Ihre Mutter hatte sie oft vor dieser Art von Männer gewarnt, und nun tat Colette genau dasselbe. Paul wollte nur das eine – und »Freundschaft« war das nicht. Und Liebe erst recht nicht.
»Ich werde mich vorsehen«, versprach sie. Und dann: »Falls Sie nicht möchten, dass ich in diesem Zimmer …«
»Unsinn, Charmaine! Ich halte Ihren Umzug sogar für eine gute Idee. Und der Schaden an der Wand ist ohnehin schon geschehen.«
Charmaine dachte an den Sohn der Familie, den sie noch nicht kannte, und an die seltsame Reaktion, die allein die Erwähnung seines Namens heute Morgen ausgelöst hatte. Dabei fiel ihr Yvettes Brief ein. Am besten brachte sie das Thema sofort zur Sprache, statt es noch länger hinauszuzögern. »Yvette möchte so gern ihrem Bruder in Richmond schreiben. Unter der Bedingung, dass sie sich gut benimmt und Sie die Erlaubnis geben, habe ich ihr versprochen, Joshua Harrington zu bitten, den Brief nach Virginia mitzunehmen.«
»Yvette soll ihren Brief schreiben«, antwortete Colette ohne das geringste Zögern. »John freut sich bestimmt über ein paar Neuigkeiten von zu Hause.«
Charmaine war sehr
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