Im Sommer der Sturme
sehen. »Aber die Körbe tragen Sie nicht. Joseph wird Sie begleiten und Ihnen helfen.«
»Einverstanden, aber ich nehme auch die Mädchen mit, damit sie mir beim Verteilen helfen.«
Fatima hielt mitten in der Bewegung inne. »Und warum das?«
»Es ist wird Zeit, dass meine Kinder lernen, dass Vermögen auch Verpflichtung bedeutet. Ich möchte nicht, dass sie zu Schönheiten mit warmem Lächeln, aber kaltem Herzen heranwachsen.«
Selbst nach neun Jahren war Fatima noch von Colettes Großherzigkeit beeindruckt. Mit einem Nicken wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
Nachdem alle Vorbereitungen beendet und die Körbe auf dem Boden des Landauers verstaut waren, setzte sich der Wagen mit Colette, den beiden Mädchen und Joseph Thornfield in Bewegung. Charmaine und Pierre standen auf der obersten Stufe vor den Säulen und winkten ihnen nach. Aber keiner bemerkte, dass Frederic mit gerunzelter Stirn im Stockwerk darüber auf dem Balkon stand.
Später am Abend, als Colette sich bereits zurückgezogen hatte und Charmaine die Mädchen zu Bett brachte, sprachen die Zwillinge noch lange im Flüsterton über das große Gebäude und die komischen Männer, die sie besucht hatten. Jeannette schien der Besuch Spaß gemacht zu haben, doch Yvette rümpfte die Nase. »Ich verstehe nicht, warum wir dort hingehen mussten. Es war schrecklich. Es hat gestunken, und alles war schmutzig.«
»Mama sagt, dass wir nicht halb so reich wären, wenn diese Männer nicht für Papa arbeiteten«, erklärte Jeannette. »Sie sagt, wir müssten ihnen dankbar sein. Wenn wir den Männern ein Weihnachtsessen bringen, bedanken wir uns wenigstens ein bisschen.«
»Ich weiß, was sie gesagt hat«, erwiderte Yvette.
Jeannette zuckte die Schultern und kuschelte sich unter ihre Decke.
Charmaine gab den Mädchen einen Kuss, zog die Decke über Pierre zurecht, der tief und fest schlief, und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Ihr war klar, was Colette mit diesem Besuch bezweckt hatte, aber offenbar hatte nur Jeannette die Botschaft verstanden.
Colette bürstete gerade ihr Haar, als Frederic das Ankleidezimmer betrat. Er hatte zwar geklopft, aber ihre Antwort nicht abgewartet. Sie sah ihm im Spiegel entgegen und fühlte sich, als er immer näher kam, unwohl, da sie bereits entkleidet war.
»Du bist heute im Lager gewesen«, sagte er.
»Morgen ist Weihnachten.«
»Zusammen mit den Zwillingen.«
»Ja.« Sie erhob sich und drehte sich zu ihm um. Dabei bewahrte sie nur mit Mühe ihre Fassung. »Sollte ich ihnen nicht zeigen, dass man auch für die weniger Glücklichen sorgen muss? Darum geht es doch an Weihnachten, oder etwa nicht? Das Christuskind lag auch nur in einer einfachen Futterkrippe.«
Seine Blicke musterten sie so eindringlich von Kopf bis Fuß, dass es ihr den Atem verschlug. »Aber diese Männer sind Verbrecher, Colette«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich war um die Sicherheit der Mädchen besorgt – und um deine. Außerdem bist du noch nicht gesund. Ich möchte nicht, dass du unseren Besitz noch einmal verlässt, ohne es mir vorher zu sagen.«
Colette richtete sich auf. »Ich bin also eine Gefangene in meinem eigenen Haus? Das hast du schon einmal versucht. Aber ich sage dir hier und heute, dass ich das nicht akzeptieren werde. Ich werde weiterhin kommen und gehen, wie es mir beliebt!«
Frederic biss die Zähne aufeinander. »Und ich sagte dir, dass es mir gleichgültig sei, wenn du gehst. Doch meine Töchter sind allein meine Sache!«
Colette fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Aber sie wollte ihm nicht zeigen, wie leicht er sie verletzen konnte. Hastig knotete sie den Gürtel ihres Morgenmantels zusammen. Dann drängte sie sich an ihm vorbei in ihr Schlafzimmer und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
Lange stand Frederic bewegungslos da und starrte auf die Tür, plötzlich trat er einen Schritt nach vorn. Doch sein lahmes Bein verfing sich am Eck des Teppichs, und er stolperte. Seine rechte Hand schoss nach vorn, und er klammerte sich an einen Stuhl. Als sein Stock auf den Boden knallte, fluchte er leise. Sein Herz klopfte, und er zitterte am ganzen Leib. Als sein Atem wieder ruhiger ging, ließ er den Stuhl los, dann wischte er sich mit dem Ärmel die Schweißperlen von der Stirn. Als er sich bückte, um seinen Stock aufzuheben, begriff er wieder einmal, was aus ihm geworden war. Abgestoßen von sich selbst, kehrte er in seine Räume zurück.
Sonntag, 25. Dezember 1836
Der Weihnachtstag wurde mit einer
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