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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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sah Stephen zu Paul hinüber, doch der zuckte nur die Schultern. »Ich fürchte, in diesem Punkt sind Colette und ich einer Meinung. Charmaine Ryan ist ein Teil unserer Familie und wird im Dienst meines Vaters verbleiben, solange seine Frau das für richtig hält. Ich halte nichts von der Ansicht, dass die Sünden der Väter auf die Kinder übergehen. Wenn das so wäre, wären die meisten von uns verdammt. Solche Ansichten sind ein Relikt der europäischen Aristokratie.« Er hielt einen Augenblick inne, um seine Worte gegen das Klassen- und Etikettedenken der Blaublüter und ihrer zahllosen Imitatoren wirken zu lassen. »Ich habe morgen viel zu tun«, schloss er. »Ich will kein schlechter Gastgeber sein, Stephen, aber es scheint mir an der Zeit, Ihren Wagen zu rufen.« Ohne die Antwort abzuwarten, ging er ins Foyer hinaus und war sehr zufrieden, als der Bankier ihm nachgelaufen kam.
    Charmaine betupfte ihre Wangen und betrat das Kinderzimmer.
    »Mademoiselle!« Jeannette stürmte auf sie zu. »Ist alles in Ordnung?«
    Yvette kam ihr nach, und zusammen zogen sie Charmaine ins Zimmer. »Sie haben geweint«, sagte Yvette zaghaft.
    »Das ist vorbei«, versicherte Charmaine und setzte sich auf das Bett der Mädchen. Dann sah sie Rose an, die ebenfalls beunruhigt schien.
    »Sie sind aber noch unsere Gouvernante, oder?«, fragte Jeannette.
    Wieder stiegen Charmaine die Tränen in die Augen. »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie.
    »Wir erlauben nicht, dass man sie fortschickt!«, rief Yvette und umschlang sie. »Wir lieben Sie doch.«
    Gerührt erwiderte Charmaine die Geste.
    Jeannette entdeckte Colette, als sie unter der Tür stand. »Mama! Du schickst Mademoiselle Charmaine nicht weg, oder?«
    »Aber ganz bestimmt nicht.« Ihre ernste Miene wandelte sich zu einem Lächeln, und kurz darauf kicherten und lachten sie alle zusammen.
    Einige Zeit später schlenderten Colette und Charmaine in der abendlichen Brise über den Balkon bis zu Colettes Salon, wo Charmaine der Freundin weitere Einzelheiten aus ihrer traurigen Vergangenheit offenbarte. Colette war eine mitfühlende Zuhörerin, und als Charmaine schließlich in ihr Zimmer zurückkehrte, war ihr eine schwere Last von den Schultern genommen.
    Paul wollte mit Charmaine sprechen, doch er fand sie weder bei den Kindern noch in ihrem eigenen Zimmer. Nun gut, dann eben morgen, dachte er … Gleich morgen wollte er mit ihr sprechen.
    Samstag, 24. Dezember 1836
    Fatima summte leise vor sich hin, während sie in der Küche arbeitete und auf Colettes Geheiß hin letzte Hand an zwölf Körbe mit Lebensmitteln legte. Zwei Tage lang hatte sie gekocht, und nun trat sie einen Schritt zurück und betrachtete zufrieden lächelnd die weihnachtlichen Köstlichkeiten, die am Nachmittag in das Lager der Arbeiter gebracht werden würden. Colette hatte diese Tradition vor neun Jahren begründet. Fatima war von der Großherzigkeit ihrer Herrin begeistert, aber sie war besorgt, als die Herrin des Hauses lange vor Mittag die Küche betrat.
    »Miss Colette, was haben Sie denn vor?«
    »Sie wissen sehr genau, was ich vorhabe.«
    »Aber Master Paul hat doch gesagt, dass er in diesem Jahr die Körbe verteilen wird.«
    »Das hat er gesagt, nicht ich«, erwiderte Colette und rückte einige Laibe Brot in einem Korb zurecht. »Ich bin sehr wohl in der Lage, eine Fahrt im Wagen zu überstehen.«
    Fatima saugte an ihren Wangen. »Das halte ich nicht für eine gute Idee.«
    »Und warum nicht? Warum sollte es in diesem Jahr anders sein?«
    »Weil Sie sich nicht wohlfühlen. Nur deshalb«, sagte Fatima mit ernster Miene, und als sie merkte, dass Colette ihr nicht zuhörte, fügte sie hinzu. »Master Frederic wird das nicht gutheißen.«
    Colette lachte. »Das war schon beim ersten Mal so.«
    »Das stimmt nicht. Er …«
    »Er hat sich angepasst, nicht wahr?«, fiel ihr Colette ins Wort.
    »Damals war damals, aber heute ist heute. Er sorgt sich mehr um Ihre Gesundheit als darum, ob die Männer etwas zu beißen haben.«
    »Er wird nicht einmal merken, dass ich fort bin. Außer Sie verraten mich.«
    Fatima schüttelte nur den Kopf. Ihr war klar, dass jedes weitere Wort umsonst war. Wenn Colette sich in Zorn redete, konnte nichts sie aufhalten. Es war lange her, seit Fatima zuletzt eine Spur dieses Zorns, ein Stück der al ten Colette, gesehen hatte. Beim Dinner mit dem Ban kier war wieder ein erster Funke aufgeflammt, und Fatima hegte die leise Hoffnung, das Feuer bald wieder mit großer Flamme brennen zu

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