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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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berichteten.
    Wäre diese Hottiger doch nur nie aufgetaucht.
    Wären sie, nachdem sie Eschenbach abgesetzt hatten, nur nie in diesen unsäglichen Discoclub gegangen.
    Hätte er statt Gin Tonic doch nur Wasser getrunken und statt die Hottiger nach Hause zu fahren, ihr ein Taxi bestellt.
    Wäre er nur nicht auf einen Espresso mit in ihre Wohnung. Wäre er doch nur nicht so ein gottverdammtes, schwanzfixiertes Arschloch gewesen.
    Und nun? War er gerade im Begriff, sein erstes Praktikum, seinen Einstieg in eine gar noch nicht richtig begonnene Beamtenlaufbahn gänzlich zu vermasseln? Warum war Eschenbach so fröhlich? Sah er nicht, dass er am Ende war? Wollte er ihn quälen? War diese Scheißfröhlichkeit eine psychologische Masche des Kommissars, um ihn loszuwerden?
    »Herrgott, Jagmetti! Jetzt reißen Sie sich zusammen!« Der Junge, den jegliche Energie verlassen zu haben schien, tat dem Kommissar Leid.
    »Sie haben gut reden, Chef. Sie haben nicht mit einer Mörderin geschlafen.«
    »Sie war es nicht. Glauben Sie mir … und lassen Sie endlich diesen blöden Chef weg.« Eschenbach dachte an die Nacht mit Corina und fragte sich, wie ihm wäre, wüsste er nicht mit Sicherheit, dass Corina keine Mörderin war.
    »Ich bin mir eben nicht mehr sicher …«
    »Ach was, dummes Zeug.« Eschenbach wollte darüber nicht mehr spekulieren.
    »Sie hat kein Alibi.«
    »Was? Sie haben das nachgeprüft?«
    »Sie hat es mir gesagt. Sie habe frei gehabt, an jenem Nachmittag, als das passierte.«
    Die Morgensonne strömte durch die angestellten Jalousien ins Zimmer und projizierte ein Streifenmuster aus Licht und Schatten auf Jagmettis mutloses Gesicht.
    »Erst wäre sie zu Hause gewesen, später an der Seepromenade. Habe ein Buch gelesen. Keine Zeugen.«
    Eschenbach zündete sich eine Brissago an und sah, wie der aufsteigende Rauch die einfallenden Lichtstrahlen zwischen dem Fenster und dem jungen Polizisten sichtbar machte.
    »Und jetzt glauben Sie, die gute Frau Hottiger, mit ihren … wie alt ist sie eigentlich?«
    »Zweiundzwanzig«, warf Jagmetti ein.
    »Also, mit ihren zweiundzwanzig Lenzen … und, erlauben Sie mir den Ausdruck, noch etwas grün hinter den Ohren, hätte stattdessen auf der Lauer gelegen. Mit einem Langdistanzgewehr mit ZF, und hätte kalten Arsches ihrem ehemaligen Liebhaber den Kopf weggeschossen! Ein bisschen weit hergeholt. Finden Sie nicht?«
    »Vielleicht. Möglich wäre es doch?«
    »Möglich. Möglich.« Eschenbach wurde etwas ungehalten. »Möglich ist vieles. Aber nicht sehr wahrscheinlich.« Eschenbach zog an seinem Zigarillo, und Jagmettis Augenpaar, das für einen Moment in einem der Lichtkegel aufflammte, rutschte runter in die Schattenzone.
    »Es gibt vielleicht zwei Dutzend Leute in der Schweiz, die von dort oben, aus einer Distanz von über sechshundert Metern, dieses Kunststück fertig bringen«, polterte Eschenbach. »Wobei es natürlich zynisch ist, dabei von einem Kunststück zu sprechen.«
    »Ich weiß.«
    »Und Frau Hottiger dürfte wohl kaum zu diesem Personenkreis gehören.«
    »Sie war Jungschützin«, kam es von Jagmetti zaghaft, fast flüsternd.
    »Der Schweizerische Schützenverband hat über eine halbe Million Mitglieder. Tausende von Jungschützen inklusive. In fast viertausend Sektionen landesweit ballern sie rum. Schießen ist bei uns Volkssport, Jagmetti. Militärpflicht. Obligatorisch. Wie Französisch … und neuerdings auch Englisch. Gleich nach dem Schnuller kommt die Knarre.«
    »Aber nicht bei den Mädchen«, gab Jagmetti zurück.
    »Gerade die Mädchen.« Eschenbach dachte an Kathrin, die sich für seine Dienstwaffe mehr interessierte als er.
    »Doris… ich meine, Frau Hottiger war Schützenkönigin.« Diesmal war es eine feste, überzeugende Stimme, die sprach. Als wollte Jagmetti seinen Unmut, seine ganze Verzweiflung aus sich herausschleudern. »Hottiger war nicht nur das erste und bisher einzige Mädchen, welches das Zürcher Knabenschießen gewann. Ihre Serie war auch die beste, die dort je geschossen wurde.«
    »Und was heißt das?« Eschenbach kannte zwar den Jungschützenanlass, der jeweils über das zweite Wochenende im September im Rahmen eines Volksfestes stattfand, konnte aber nicht viel damit anfangen.
    Jagmetti griff in seine Jackentasche, zog ein paar zusammengeknüllte Blätter heraus, die er nun hastig entfaltete und auf seinen Knien ausbreitete. »Das sind die Resultate von Doris Hottiger, beim Knabenschießen vor sechs Jahren.«
    »Da war sie gerade

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