Im Sommer sterben (German Edition)
amerikanische Überwachungsbehörde US Postal Inspection Service ermittelte gegen diese Webseite und hat die Betreiber, ein amerikanisches Ehepaar, vor zwei Monaten verhaftet. Landslide bot seinen Benutzern gegen Bezahlung mit Kreditkarte Zugang zu über 300 kinderpornographischen Websites. Kunden aus 61 Ländern bezogen von dort Material, wobei Landslide über 150 000 Zahlungseingänge verzeichnen konnte.«
»Und da waren natürlich auch Schweizer dabei.« Eschenbach ahnte, was kommen würde.
»Klar. Die amerikanischen Behörden gaben die Rohdaten, im Wesentlichen Kreditkartendaten, an Interpol weiter. Über Interpol kamen sie dann zu uns.«
»Und? Wie viele sind es für die Schweiz?«
»Etwas über 3600 Rohdatensätze waren es, die einen Bezug zur Schweiz hatten. Darunter die typischen Redundanzen und Fehler, die wir in solchen Daten immer haben.«
Eschenbach verstand nur Bahnhof. Er wusste nichts über Daten und überhaupt nichts über Rohdaten. Er rätselte, wo der Unterschied liegen könnte, zwischen Daten, die roh sind und anderen. Er kannte nur den Unterschied zwischen rohen Eiern und gekochten. Dann war von Doubletten und Schnittmengen die Rede. Eschenbach gab sich Mühe, aufmerksam zuzuhören und den Eindruck zu erwecken, als wisse er über Daten so viel wie über Eier.
Bucher schubste seine randlose Brille zurück, die ihm auf die Nase gerutscht war und zu schräg und zu weit vorne hing. Er sprach in einem näselnden, gleichmäßigen Ton, der in jedem anderen Dialekt arrogant geklungen hätte. In Berndeutsch klang es sympathisch.
»Nachdem wir die Daten durchgecheckt und alles ausgefiltert hatten, blieben rund 1300 saubere Daten.«
»Mit sauber meinen sie die Dreckigen?«
Bucher stockte; dann musste er schmunzeln. Ihm gefiel das Wortspiel. »Ja. Das Dreckspack, sozusagen. 1300 zahlende Kunden von Landslide .«
»Und wenn jemand einfach mal reingeklickt hat? Zufällig. Oder aus Neugier?«
»Dann hätten wir viel zu tun, Herr Eschenbach.« Er lächelte. »Nein, diese Liste ist starker Tobak. Alles Leute, die wiederholt und für Tausende von Franken kinderpornographisches Material aus dem Internet heruntergeladen haben. Bilder. Videos. Den ganzen Schweinkram eben.«
Eschenbach schluckte. Er dachte an die Videos, die Doris Hottiger gestern erwähnt und die man ihm auf seinen Wunsch ins Präsidium gebracht hatte. Er war noch nicht dazu gekommen, sie sich anzusehen. Und es war nicht nur Zeit, was ihm fehlte.
»Schon bei den Rohdaten wurde gewaltig ausgesiebt. Einmal ist keinmal; und auch die für ein paar hundert Franken haben wir aussortiert. Gnade vor Recht, sozusagen. Die 1300, das sind die großen Fische.«
»Und jetzt? Ich meine, wie geht das jetzt weiter?«
Bucher kramte aus einer alten dunkelbraunen Ledermappe einen Aktenordner hervor und legte ihn vor Eschenbach auf den Tisch.
Auf der Rückseite des Ordners stand: Projekt Genesis und darunter: Kanton Zürich.
»Jetzt schnappen wir uns die Schweine.«
»Die Drecksarbeit also.« Eschenbach blätterte in den Unterlagen, ohne sie wirklich zu lesen.
»Genau. Das große Ausmisten.«
»Und das liegt wie immer bei den Kantonen.« Eschenbach zuckte mit den Schultern. »Und warum kommt das ganze Zeugs zu mir?«
»Das Zeugs, wie Sie es nennen, ist die größte konzertierte Polizeiaktion gegen Kinderpornographie, die es in der Schweiz je gegeben hat.« Bucher lächelte. »Vom Bund aus informieren wir die Kommandanten der kantonalen Polizeicorps und deren Stellvertreter. Dann ist es Sache der kantonalen Behörden. Sie sind …« Bucher blätterte in seinen Unterlagen. »… als Stellvertreter der Kommandantin, Frau Elisabeth Kobler, auf meiner Liste. Mit Frau Kobler habe ich bereits gesprochen. Ich nehme an, die Angaben stimmen.«
Eschenbach nickte. Er wusste nun, was auf ihn zukommen würde. Hunderte von Hausdurchsuchungen. Kisten voller PCs und Festplatten, die aus Häusern und Wohnungen getragen und ins Präsidium geschleppt werden mussten. Hunderte von Videos und Bildern. Das ganze Zeugs, das beschlagnahmt und gesichtet werden musste. »Wie viele sind es?«, fragte er ausdruckslos.
»Knapp vierhundert.« Der Beamte aus Bern fingerte an seiner Brille, und es schien ihm nicht wohl zu sein in seiner Haut. »Die genaue Anzahl finden Sie im Ordner. Dort ist eine Liste mit den Namen und Adressen.«
»Vierhundert! Das ist ja fast ein Drittel.«
»Alles ist auch elektronisch vorhanden. Auf einer CD. Die ist hinten eingefügt. Wir dachten, das
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