Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
Vom Netzwerk:
damit auch einen internationalen Menschenhändlerring, der über Jahre … Der auf Abwege geratene Erfolgspolizist war nicht nur V-Mann der Bordellmafia … Das stasiartig arbeitende Dezernat 1 kümmerte sich im Polizeiapparat der DDR um … Für die Gunstbezeugungen des Ordnungshüters revanchierte sich der Freudenhäusler … Weitere zahlreiche Festnahmen. Ob die Typen wenigstens noch mit Wichsen fertig geworden sind?
    Er nimmt das Taxi bis nach Berlin. In der Charité kümmern sie sich um sein Bein. Er muss so schnell wie möglich zurück in die Stadt, die Geschäfte laufen weiter. Er saß über eine Stunde mit den Mädchen in der leeren Wohnung. »Das ist eine miese Stadt«, sagt er, »wenn ihr vernünftig Geld verdienen wollt, ich habe einen Laden unten im Osten. Seid ihr jederzeit willkommen. Zahlt ihr nur fürs Zimmer. Oder wollt ihr nach Berlin?«
    Sie tuscheln. Die Blonde scheint aus Polen zu sein. Oder Russland. Was weiß er schon? Später findet er ein Päckchen Spielkarten in dem kleinen Regal neben seiner Schulter. Das Knie macht ihn fertig.
    Sie spielen Mau-Mau um seine letzten Zigaretten. Sie kommt aus Litauen, spricht Russisch und etwas Deutsch. Jana kommt aus einem kleinen Nest in der Nähe. Im Taxi nach Berlin sitzen sie auf der Rückbank und streicheln über das glänzende Fell der Tschapka, die der Oberst ihm am ersten Abend geschenkt hat.
    »Hast Besuch mitgebracht?«, sagt Mondauge am Nachmittag, Smog in Berlin, nichts wie hin . Er sitzt allein am Tresen und hört Oldies und liest Zeitung. Blickt nur kurz auf.
    »Kümmer dich um die Mädels, ich hab einen Termin in der Charité.«
    »Betriebsunfall oder schlecht geträumt?«
    »Nur äußerlich. Wenn’s auf den Kopf übergreift, ruf ich bei Domian an.«
    »Die schwule Stimme des Rheinlands. Trink erstmal einen. Und geh lieber ins Urbankrankenhaus, ist gleich um die Ecke. Die Ossis versauen’s dir bloß.«
    »Haben sie schon. Bin bald wieder hier.«
    »Im großen Revier … Und die Geschäfte?«
    »Laufen weiter. Wie gehabt. Was denkst du denn?«
    »Das mit dem Denken hab ich mir abgewöhnt. In manchem süßen Traum, vorbei in mancher Nacht.«
    »Was?«
    »Ach, scheiß drauf. Schieb deinen Arsch zur Oberschwester.«
    »Ja, ja.« Er schließt die Augen und sieht: Lichtschleifen. Körper wie aus flüssigem Plasma. Blinkende Steine. Las Vegas.

Der Kongress der Huren
    Liebe Kolleginnen, liebe Mitstreiterinnen, liebe Freundinnen, liebe Freunde, ich begrüße euch nochmal aufs herzlichste! Ich bin überaus stolz, von ganzem Herzen stolz , wie meine Vorrednerin sagte, dass ihr hier heute in so großer Zahl erschienen seid! Ich bin eine Hure, und ich zeige mich!
    (…) Danke, vielen Dank.
    Drei Jahre Prostitutionsgesetz. Ich weiß noch, wie viele von uns damals dachten, jetzt sind wir endlich in der Gesellschaft angekommen. Jetzt werden wir elementare Rechte wahrnehmen können, die Zeit der Halblegalität, in der wir in all den Jahren agieren mussten, arbeiten mussten, leben mussten, ist nun vorbei.
    Ich zitiere noch einmal aus dem Gesetz, liebe Kolleginnen, liebe Mitstreiterinnen:
    »Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Person, insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung derartiger Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeitdauer bereithält.«
    Wie ihr alle wisst, wurde gleichzeitig im Strafgesetzbuch festgehalten, dass das Schaffen eines angemessenen Arbeitsumfeldes nicht strafbar ist, wenn – und das ist ein Punkt, den wir hier sicher in den nächsten Stunden und Tagen noch diskutieren werden und müssen! – es nicht zu einer Ausbeutung der Sexarbeiterin kommt.
    Wo stehen wir heute, drei Jahre nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes? Wie viele von euch, von uns, besitzen Arbeitsverträge? Sind wir auch de facto vom Vorwurf der Sittenwidrigkeit befreit? Werden wir durch weiterhin existierende Sperrbezirksverordnungen in der Ausübung unserer Arbeit eingeschränkt? Warum gibt es keine einheitlichen Regelungen durch die Behörden beziehungsweise keine einheitlichen Auslegungen der bestehenden Gesetze, was die Anmeldung von Betrieben und die Ausarbeitung von Arbeitsverträgen betrifft?
    Hier möchte ich auch die anwesenden Betreiber und Betreiberinnen von Bordellen oder, wie es so schön heißt, bordellähnlichen Betrieben

Weitere Kostenlose Bücher