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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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die Nase, dem feinen Abgang nachspürten, bevor Steffen dann sagte: »Hast du gewusst, dass das Feuer den Körper nicht direkt berühren darf, Gesetz von 1933«, saß Hans im Keller seines Clubs, am anderen Ende der Stadt, die dort irgendwo da draußen noch sein musste, saß in seinem Raum, und er starrte auf den kleinen Tresor in der Wand, in dem die Steine lagen, und er spürte sein schweres Gesicht, die geschwollenen Augen, die voll gewordenen, hängenden Wangen, spürte auch die Bumsenden über ihm, das dumpfe, scheinbar ferne Grummeln der Musik, fragte sich, ob er sich alles versaut hatte, jetzt, wo sein Toter auftauchte, glaubte aber immer noch an diese seine Chance (Razzien und ähnlicher Scheiß passierten ihm nicht, ihnen nicht, war alles abgesichert, abgesprochen, und niemand wusste, dass und das …, und nur die Steuerfahndung ging ihm auf den Sack und schaute vorbei und die Hurengewerkschaft, der Hurenverband, aber mit denen konnte man gut reden, waren oft Ehemalige, und die sahen, dass bei ihm alles in Ordnung war), die Glockenschläge der beiden Hämmer schwingenden Männer auf dem Dach des sehr alten und gar nicht so hohen Hochhauses im Zentrum der Stadt, eine weiße Wolke, wie ein langsamer, sich windender Atompilz aus Dampf (»Also doch kein Atompilz!«), steigt hinterm Zentralbahnhof in diesen Himmel, die Flugzeuge blinken rot dazwischen wie die Windräder, die aus dem Ackerboden wachsen vor der Stadt, die Zentrale der Stadtwerke, dieser Kubus aus Glas und Stein, lässt Druck ab, die Alten, die nicht schlafen können, lehnen sich aus den Fenstern der Altersheime und denken, es ist Krieg, Taxis fahren die letzten Gäste nach Hause oder fahren leer nach Hause, weil nicht mehr so viel los ist seit einigen Jahren, der Herbststurm peitscht das Wasser des großen Sees, auf dessen Grund die alten Bagger ruhen …, der Mond ist aufgegangen , auch im Club der Engel gehen die letzten Gäste und versuchen die Mädels, ein bisschen runterzukommen, Sternschnuppen fallen in die Seen, wie das Wasser zischt, eine Frau (30?) stützt sich mit den Händen am großen Glasfenster ab und schaut über die dunkle Stadt und spürt fremd und groß den Schwanz in ihrem Körper und lacht dennoch in sich hinein, was für ein Idiot, was für ein idiotischer Gentleman, der so viel zahlt für den Hotelbesuch, lacht still, weil manchmal alles so einfach scheint, die Zeit wird umgestellt, die Uhrzeiger rotieren …, die letzten Sternlein prangen …, durch die Burg, in der Nähe der Autobahnausfahrt, wandern die Schatten, die Drehkreuze sind geschlossen, leere Taxis ziehen Lichtschweife in der Nacht, Kanacken träumen in der Hauptstadt von der Herrschaft, wir nehmen, was wir kriegen , der Föhn zieht wie der Golfstrom bis rüber nach Österreich, wo der ehemalige Anwalt in seinem modernen Club sitzt und die Steuer erfreut, wozu verstecken, wenn man vorzeigen kann …, und der weiße Nebel wunderbar  …, und der Graf investiert woanders und sitzt in seiner Burg in Frankfurt/Main , was, verdammt nochmal, ist hier los , guten Morgen, Deutschland, der Oktoberabend legt sich über den kleinen Wald am Rand der Stadt.
    »Die Flammen … Ist kühl hier unten.«
    »Wenn du noch einen willst.«
    »Bist gut zu deinen Gästen. Auf einmal.«
    »Kann leider nicht anfeuern grade.«
    »Und willst du in der Zukunft immer hier unten sein und in der Glut stochern und die Asche sammeln? Oder oben zwischen den Steinen? Ein Gärtner und Bestatter?« Er hielt Steffen den Plastikbecher hin, den dieser wieder füllte.
    »Kein Bestatter. Das ist eine andere Branche.«
    »Lass den Quatsch. Darum geht es nicht.«
    »Wenn ihr mich lasst.«
    »Darüber waren wir doch schon hinaus, dass es kein ihr gibt.«
    »Waren wir, Arnold? Aber es ist egal, wo ich mich umdrehe, hier oder woanders, immer sind die Schatten da. Ich hätte nach Frankreich gehen können. Und denkst du, dass ich dort sicher wäre?«
    »Ich weiß es nicht. Du bist der Lampenbauer. Und die leuchten hell in der Dunkelheit.«
    »Das hatten wir doch schon. Wahrscheinlich willst du wissen, warum …«
    »Warum du zur Plauderstunde gegangen bist, bei den Bullen?«
    »Rauchst du?« Steffen zog ein Päckchen Tabak aus der Kitteltasche.
    »Habe schon lange aufgehört.«
    Steffen legte etwas Tabak auf ein Zigarettenpapier und fummelte und drehte.
    »Haben dir die Bullen nicht etwas und viel versprochen? War nicht mehr für dich drin als das hier?«
    Er schlug Steffen leicht gegen den Arm, so dass der

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