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Im Strudel der Gefuehle

Titel: Im Strudel der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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Indianer sind blutrünstig«, sagte Jessica. »Manche sind sogar sehr gastfreundlich. Ich habe selbst einige Zeit bei ihnen verbracht.«
    »Sie sind entführt worden?« fragte das Mädchen. In ihrer Stimme klangen gleichzeitig Grauen und Faszination.
    »So würde ich es nicht gerade ausdrücken. Lord Stewart ist ein Freund der Cheyenne. Wir waren ihre Gäste.«
    »Ich würde eher mit dem Teufel als mit einer Rothaut Freundschaft schließen; das können Sie mir glauben. Denen darf man nicht über den
    Weg trauen.« Sie glättete erneut ihr Kleid und wechselte entschlossen das Thema. »Das ist ein wundervolles Kleid, Ma’am. Haben Sie das aus Frankreich?«
    »Ja. Mein Vormund bevorzugt den englischen Stil, aber mir gefällt die schlichte französische Mode besser.«
    Das Mädchen warf Wolfe einen kurzen Blick zu. Offenbar fragte es sich, ob es sich bei diesem Vormund um Wolfe handelte.
    »Mein Mann«, setzte Jessica hinzu, wobei sie das Wort etwas betonte, »bevorzugt eigentlich gar keine Mode. Habe ich Sie da richtig verstanden, Mr. Lonetree?«
    »Hier im Westen ist kein Platz für Seide und Firlefanz, Lady Jessica.«
    »Lady?« sagte das Mädchen. »Dann kommen Sie aus England?«
    Jessica widerstand der Versuchung, das Mädchen zu verbessern. »So könnte man es ausdrücken.«
    »Eine echte Dame von Adel?« fragte das Mädchen neugierig.
    »Hier nicht«, sagte Jessica. »Hier bin ich Mrs. Lonetree.«
    »Und ich bin Mrs. O’Conner.« Das Mädchen zögerte. »Lonetree ist ein ungewöhnlicher Name.«
    »Eigentlich bedeutet der Name >Einsamer Baum<, aber Lonetree ist für die meisten Leute einfacher zu merken«, erklärte Wolfe.
    »Das hört sich fast ein bißchen indianisch an.«
    »Ist es auch.«
    Die junge Frau erblaßte. Fassungslos starrte sie Wolfe an. Erst jetzt schien sie den Mann wirklich zur Kenntnis zu nehmen, der sich unter der teuren Kleidung eines Gentlemans verbarg.
    »Mein Lord, Ihr seid eine Rothaut!«
    »Manchmal«, stimmte er ihr zu. »Bei anderen Gelegenheiten bin ich dann ein hochzivilisierter Bürger des britischen Weltreiches. Hier draußen im Westen bin ich jedoch nur ein einfacher Mann.«
    Die junge Mrs. O’Conner stieß einen leisen, unbehaglichen Laut aus und begann, mit zitternden Fingern ihr Taschentuch zusammenzufalten. Dabei gab sie sich redlich Mühe, Wolfe nicht in die Augen zu schauen.
    Wolfe seufzte, drückte sich den Hut fester in die Stirn und öffnete die Tür der sanft schaukelnden Postkutsche. Als er sie weit aufgemacht hatte, streckte er die Hand aus und hielt sich am Gepäckträger fest, der sich oben auf dem Dach der Kutsche befand.
    »Wolfe, was soll denn...«, fragte Jessica.
    »Mrs. O’Conner wird sich wohler fühlen, wenn ich nicht hier drinnen bei den anständigen Bürgern sitze.«
    Mit diesen Worten schwang sich Wolfe mit katzenhafter Geschmeidigkeit aufs Dach der Kutsche und setzte sich neben den überraschten Kutscher auf den Bock. Die Tür schlug zu.
    »Ihr Benehmen läßt einiges zu wünschen übrig«, sagte Jessica und betrachtete die junge Frau abschätzig. »Mein Wolfe ist ein vollendeter Gentleman, der es, was Höflichkeit angeht, mit jedem Mann in Amerika aufnehmen kann.«
    »Meine Familie wurde von den Rothäuten ermordet, als ich zwölf war. Ich hatte mich versteckt, aber ich konnte sehen, was sie Mutter und Sissy angetan haben. Und meine Mutter war im siebten Monat.« Die Hände des Mädchens strichen über die Wölbung seines Bauches. »Das arme Würmchen starb, noch bevor es das Licht der Welt erblickt hatte. Wilde sind das! Blutrünstige Wilde! Ich hoffe, die Armee schickt sie alle in die Hölle zurück, aus der sie gekommen sind.«
    Jessica schloß die Augen und wehrte sich gegen die Alpträume, die sich tief in ihrer Erinnerung bedrohlich zu regen begannen. Auch sie hatte Fehlgeburten miterlebt. Die winzigen, bewegungslosen Körper lösten ein Grauen in ihr aus, das mit Worten nicht zu beschreiben war.
    Zitternd hüllte sich Jessica in ihren schweren Mantel und wünschte, sie könne sich wieder an Wolfes warmen Körper kuscheln. Sie drückte die schmale Reisetasche fest an sich, in der sich der Gewehrkoffer befand, den Wolfe die ganze Zeit bei sich gehabt hatte.
    Mit qualvoller Langsamkeit zog draußen die Landschaft an ihnen vorbei. Jessica unternahm keinen weiteren Versuch, mit Mrs. O’Conner ins Gespräch zu kommen. Der Haß und die Angst in der Stimme des Mädchens, wenn sie von den Indianern sprach, erinnerten Jessica an die englischen

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