Im Strudel der Gefuehle
Es kam ihr vor, als wollte er sie auf die Probe stellen. »Die Formen der Möbel sind von einer schlichten Eleganz. Das hebt nicht nur die angenehme Wärme des Feuers hervor, sondern auch die leuchtenden Farben der Decken und die einladende Oberfläche des Fells. Selbst der Kamin ist eine geschickte Konstruktion, die sich gleichzeitig zu zwei Zimmern hin öffnet. Und das da hinter dem Vorhang ist eine Badewanne, nehme ich an?«
»Ja.«
»Die ist ziemlich groß.«
»Genauso wie ich.«
Wolfe bemerkte, wie Jessica mit den Fingerspitzen über die sanft geschwungene Lehne eines Stuhls strich, der direkt neben ihr stand.
»Du hast alles, was man zur Bequemlichkeit braucht, und Schönheit obendrein«, sagte sie leise. »Wer das gebaut hat, versteht es wirklich, mit Holz umzugehen. Siehst du, wie sich die Form des Stuhls der Maserung des Holzes anpaßt und ihr folgt?«
Wolfe sah sogar noch mehr als das. Er sah die Sinnlichkeit, die in Jessica schlummerte. Er sah die unterdrückte Leidenschaft, die sie bei der Berührung mit dem glatten Holz empfand, als sie mit den Fingerspitzen darüberstrich.
»Und das Fell«, sagte sie, indem sie zum Fuß des Bettes hinüberging, »ist einfach unbeschreiblich.«
»Das ist Schneefuchs«, sagte Wolfe. »Den findet man nur dort, wo die Täler der Gletscher genau die gleiche Farbe haben wie deine Augen.«
»Und was ist das für eine Farbe?« fragte sie leise.
»Das weißt du doch.«
»Ich weiß nicht genau, was du damit sagen willst.«
Jessicas Finger glitten durch das dichte, weiche, weiße Fell. Das leise, genußvolle Stöhnen, das sie dabei von sich gab, versetzte Wolfes Sinne in höchste Alarmbereitschaft. Bei der Vorstellung, daß sich diese schlanken Finger in seinem eigenen Haar vergruben, erfaßte ihn eine Woge des Verlangens. Ruckartig drehte er sich um
»Ich hole jetzt deine Koffer. Ganz egal, wo du die Nacht verbringst, dieses Zimmer kannst du jedenfalls als Ankleidezimmer benutzen.«
Neugierig schaute Jessica auf, als sie den gequälten Unterton in Wolfes Stimme hörte.
»Während ich den Rest der Fracht von der Kutsche ablade«, fuhr Wolfe fort, »kannst du schon einmal etwas zu essen machen und Kaffee kochen. Die Vorräte sind in den Säcken dort. Und wenn du schon einmal dabei bist, kannst du auch gleich alles in die Schränke räumen. Dann weißt du sofort, wo alles steht, wenn du kochen willst.«
»Wolfe«, unterbrach ihn Jessica.
Er drehte sich um.
Sie wollte ihm erklären, daß sie nicht die leiseste Ahnung hatte, wie man etwas zu essen machte. Der erwartungsvolle Ausdruck, der aus seiner ganzen Haltung sprach, verriet ihr jedoch, daß er nur auf eine Gelegenheit wartete, um ihr vorzuhalten, wie fehl am Platze sie hier war. Sie war sich nicht sicher, ob ihre Geduld in diesem Moment dazu ausreichen würde, das zu ertragen.
Die lange, unbequeme Fahrt von der Endstation in Denver hatte Jessicas Durchhaltevermögen und ihre Entschlossenheit auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Ihr ganzer Körper war steif und erschöpft, und ihr war kälter, als ihr je zuvor in ihrem Leben gewesen war.
Und jetzt wurde auch noch von ihr erwartet, daß sie eine Mahlzeit für das anspruchsvollste Wesen der Welt zaubern sollte: ihren Ehemann.
»Ist noch etwas?« fragte Wolfe mit überfreundlicher Stimme.
»Ich wollte nur fragen... wo ich meine Sachen unterbringen soll.«
»Da ich nicht wissen konnte, daß ich eine Frau aus England mitbringen würde, habe ich natürlich keine Schränke und Kommoden für deine Kleider.« Ein breites Grinsen erschien auf seinem dunklen Gesicht. »Nicht, daß es darauf jetzt etwa noch ankäme. So kurz, wie dein Aufenthalt hier sein wird, ist es kaum der Mühe wert, auch nur einen einzigen Koffer auszupacken.«
»Oh? Soll das heißen, wir brechen sofort zu einer neuen Reise auf?« fragte Jessica und tat so, als freue sie sich schon darauf.
»Nicht wir beide. Nur du. Und zwar zurück nach London.«
»Ach so, das meinst du. Na ja, du weißt ja selbst, daß man über ungelegte Eier nicht gackern soll. Ich glaube, das gleiche gilt wohl auch für Reisen, die man noch nicht angetreten hat.«
Wolfe betrachtete Jessicas fröhliches Lächeln und spürte, wie seine Zuversicht sich in Luft auflöste. Hätte sie geschmollt oder sich beklagt, so hätte er auf sie einreden können, aber ihre unermüdliche gute Laune machte das unmöglich.
Das wußte sie genausogut wie er. Oder sogar noch besser.
»Zur Küche, Mylady, kommt man durch diese
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