Im Sturm der Gefuehle
heruntergekommen war, anstatt es sich wie sonst auf ihr Zimmer bringen zu lassen. Tatsächlich ging sie fast ungezwungen auf Ives' halbherzige Konversation ein, worauf die drei jungen Leute fragende Blicke wechselten. Hatten die beiden Frieden geschlossen? Es sah so aus.
Sich vom Tisch erhebend, fragte Ives: »Hätten die Damen eventuell Lust, heute Nachmittag mit mir eine Ausfahrt in den Hyde Park zu machen?« Zu Marcus gewandt, fuhr er schmunzelnd fort: »Vielleicht möchtest du den Wagen auf deinem eleganten neuen Pferd begleiten?«
»Aber gewiss, Sir«, beeilte Marcus sich zu antworten, erleichtert, wieder auf besserem Fuß mit seinem Schwager zu stehen.
Die beiden Mädchen sahen Sophy erwartungsvoll an und atmeten sichtlich auf, als sie Ives mit einem, wenn auch unsicheren Lächeln antwortete: »Danke, Mylord. Ich denke, wir alle werden die Ausfahrt sehr genießen.«
In diesem Moment trat Emerson ein, neigte sich zu Ives' Ohr herab und flüsterte ihm etwas zu. Ives hob die Brauen und sagte ruhig: »Danke, Emerson, das wäre alles.«
Er stand auf und sagte zu Sophy: »Mir scheint, dass wir ... hm ... Besuch haben. Er möchte uns beide sprechen und erwartet uns in der Bibliothek. Würden Sie mitkommen, Madam?«
Offensichtlich verwirrt, starrte Sophy ihn an. Warum hatte Emerson den Besucher nicht einfach angekündigt? Ives' Beispiel folgend, stand sie auf und erwiderte: »Natürlich.«
Auf dem Korridor sagte Ives leise: »Erschrick nicht, meine Liebe, aber ein Constable Clarke möchte uns sprechen.«
»Ein Constable!«, rief Sophy mit großen Augen aus. »Was kann ein Constable von uns wollen?«
Es war keine Zeit mehr für private Gespräche, ehe sie die Bibliothek ereichten, aber Ives' Gedanken überstürzten sich. Es gab nur einen Grund, den er sich für einen Morgenbesuch, nein, für jeden Besuch eines Polizeibeamten vorstellen konnte. Es musste mit Edwards Ermordung zusammenhängen. Aber wie?
Dem Constable, einem massigen, grauhaarigen Mann in mittleren Jahren, war sichtlich nicht wohl zumute. Als sie eintraten, lief er, an seinem steifen Kragen zerrend, auf und ab und zuckte zusammen, als er sie bemerkte. Nachdem er sich vorgestellt hatte, sagte er ganz unglücklich: »Ich muss mich für die Störung entschuldigen, Mylord, Mylady, aber Richter Harris meinte - als wir erfuhren, dass Miss Anne Richmond bei ihnen ist -, Sie sollten von der Situation in Kenntnis gesetzt werden.« Er schüttelte den grauen Kopf. »Eine überaus bedauerliche Sache. Sehr bedauerlich.«
Bei seinen Worten erstarrte Sophy und umklammerte Ives' Arm fester. Er gönnte sich einen Moment, um ihr beruhigend zuzulächeln, und fragte dann: »Möchten Sie uns wegen Miss Anne Richmond sprechen?«
»Hm, eigentlich nicht, Mylord ...« Der Constable atmete tief durch und sagte dann hastig: »Es geht um ihre Tante, Miss Agnes Weatherby Sie ist tot.«
»Tot!«, stieß Sophy hervor. »Aber wie ist das möglich? Erst Freitag, vor drei Tagen, sahen wir sie.«
»Davon informierte uns ihr Butler heute Morgen«, erklärte Clarke mit betretener Miene. »Es ist meine unangenehme Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass Miss Weatherby nicht nur tot ist, sondern auf abscheuliche Weise ermordet wurde.«
»Grässlich«, murmelte Ives, der hoffte, dass Sophy, die erbleicht war, nicht in Ohnmacht fallen würde. Er half ihr in einen mit grünem Damast bespannten Sessel und sagte dann mit einem Blick zu Clarke: »Bitte, berichten Sie, was Sie wissen.«
Es gab nicht viel zu berichten. Als der Butler Miss Weatherbys heute Morgen den Salon betreten hatte, um die Vorhänge aufzuziehen, entdeckte er den Leichnam seiner Herrin, ausgestreckt auf einem Sofa liegend, mit durchschnittener Kehle. Nach dem vielen Blut zu schließen, das geflossen war, musste sie fast sofort tot gewesen sein. Spuren von Gewaltanwendung wies allein Miss Weatherbys Leichnam auf. Der Täter war nicht ins Haus eingebrochen, und alle Dienstboten konnten für den Abend ein Alibi vorweisen.
Tatsächlich war am Abend zuvor nichts Außergewöhnliches passiert, wie Constable Clarke grimmig feststellte. Miss Weatherby war von einem Ausgang spät zurückgekehrt und hatte sich wie üblich zurückgezogen. Keiner der Dienstboten hatte eine Erklärung für die Tragödie.
Ives und Sophy vermieden es peinlich, einander anzusehen. Trotz Ives' großzügiger Regelung hatte Agnes sich offenbar von ihrer Habgier verleiten lassen, mit Edwards Mörder in Verbindung zu treten, und teilte nun das Los ihres
Weitere Kostenlose Bücher