Im Sturm der Gefuehle
Moment den Rückzug anzutreten. Heute würde ein weiterer Wortwechsel nichts mehr bringen, außerdem bestand die Chance, dass Annes Aufenthalt bei Lady Marlowe sich auf lange Sicht als vorteilhaft erweisen konnte.
Schließlich war Lady Marlowe Tochter eines Earls, Nichte eines Barons und Witwe eines Marquis. Der Gedanke, dass ihre Nichte so engen Umgang mit blauem Blut hatte, war für Miss Weatherby geradezu Schwindel erregend. Außerdem musste sie einsehen, dass Lady Marlowe, von Lord Harrington sehr geschickt unterstützt, Anne nicht kampflos aufgeben würde. Dies konnte zu peinlichen Fragen bezüglich ihrer Vormundschaft über die Richmonderbin führen, was Miss Weatherby um jeden Preis vermeiden wollte.
Während Edward sich noch spreizte, machte Miss Weatherby gute Miene und sagte: »Wie ich sehe, lassen Sie sich nicht umstimmen. Da Ihnen Annes Wohl am Herzen zu liegen scheint, bin ich willens, das Mädchen bei Ihnen zu lassen ... vorübergehend.« Es folgte ein ernster Blick. »Lady Marlowe, ich werde Sie zur Verantwortung ziehen, sollte meiner lieben Nichte in Ihrem Haus ein Leid geschehen.«
Unnahbar wie eine Königin neigte Sophy den Kopf. »Sie können beruhigt sein, dass Anne hier nicht so behandelt wird wie bei Ihnen.«
Miss Weatherby erstarrte und kniff die Augen zusammen. Halb versucht, den Kampf fortzusetzen, sah sie Sophy hasserfüllt an.
Ives war es, der den toten Punkt überwand, indem er ruhig bemerkte: »Ich bin sicher, dass Ihre Nichte hier sehr gut aufgehoben ist. Lady Marlowe hat sich auf diesem Gebiet bereits bewährt. Seit einigen Jahren sind ihre jüngeren Geschwister in ihrer alleinigen Obhut«
Als Edward widersprechen wollte, sah Ives ihn mit trügerischer Harmlosigkeit an. »In ihrer alleinigen Obhut«, wiederholte er leise, und der Ausdruck seiner Augen ließ Edward zögern und klugerweise grollend verstummen.
»Nun gut«, sagte Miss Weatherby »Für heute gibt es nichts mehr zu besprechen.«
»Ach, da wäre noch etwas«, widersprach Sophy aalglatt. »Es geht um Miss Richmonds Garderobe und andere persönliche Dinge. Ich schlage vor, Sie lassen diese rasch zu uns bringen.« Sie lächelte Miss Weatherby zu. »Das arme Kind hat nur das Kleid, das es gestern trug, und das ist leider arg zerrissen. Sicher möchten Sie nicht, dass es sich herumspricht, in welch armseligem Aufzug Sie mir Anne überließen?«
Miss Weatherbys Busen schwoll entrüstet, doch empfahl sie sich mit knappem Nicken und einem kurzen Gruß, um dann, gefolgt vom wütenden Edward, hinauszurauschen.
Sophy sah nun Ives voller Bewunderung an. »Mylord, ich muss sagen, gut gemacht! Meinen aufrichtigen Dank für Ihr zeitgerechtes Einschreiten.«
Ives hob ihre Hand an seine Lippen. »Ich zweifle nicht daran, dass Sie alle auch auf eigene Faust in die Knie gezwungen hätten, meine liebe Lady Marlowe.«
Merkwürdig atemlos, als sie seine Lippen auf ihrer Haut spürte, entzog ihm Sophy die Hand und entfernte sich ein paar Schritte.
»Was führte Sie in einem so günstigen Moment hierher?«, fragte sie rundheraus, als sie sich wieder gefasst hatte.
»Nun ... vielleicht ein Höflichkeitsbesuch?« Seine Augen blitzten sie an.
»Das war alles? Ein Höflichkeitsbesuch?«
»Was sollte es denn sein, meine Liebste?«, fragte Ives mit einem Lächeln, das sie ganz schwach werden ließ.
Nur mit Mühe ließ sie sein Lächeln unerwidert. Stattdessen warf sie ihm einen finsteren Blick zu und sagte: »Sie sind zu direkt, Mylord. Ich bin nicht Ihre Liebste.«
»Nun, noch nicht«, erwiderte er ungerührt.
Sophy holte empört Luft, aus ihren schönen Augen flammte goldenes Feuer. »Sie sind nicht nur zu direkt, Mylord, sondern auch zu arrogant.«
Ives übte sich in Zerknirschung. »Sie haben zweifellos Recht, Mylady. Verzeihen Sie mir und schreiben Sie es dem Umstand zu, dass ich bis vor kurzem nur Soldat war. Da ich jahrelang ein raues Leben führte, muss ich gestehen, dass ich mit den feinen Sitten der Aristokratie nicht vertraut bin.«
»Sie sind außerdem ein großer Schwindler«, gab Sophy zurück, die sich sehr zurückhalten musste, um seine gespielte Zerknirschung nicht zu belächeln.
Ives seufzte schwer. »Ich fürchte, das ist nur allzu wahr.« Seine Worte waren von einem hoffnungsvollen Blick begleitet. »Vielleicht könnten Sie mich unter Ihre Fittiche nehmen und mir beibringen, wie ich es besser machen könnte?«
»Vielleicht sollten Sie aufhören, mich zu beschwindeln, und mir endlich verraten, warum Sie gekommen
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