Im Sturm der Gefuehle
Grund, warum niemand danach gefragt hat, sagte sie sich resolut.
Da kam ihr ein Gedanke. Vielleicht hatte jemand danach gefragt, und ihr war es nicht zu Ohren gekommen. Damals hatte Edward die Abreise der Gäste überwacht. Hatte ihr unzuverlässiger Onkel vergessen, ihr zu sagen, dass jemand die Nadel vermisste?
Sie atmete tief ein. Sie wollte Edward danach fragen.
6
Einen Gesprächstermin mit Edward festzusetzen war nicht einfach gewesen, doch kam er auf Sophys Ersuchen am Donnerstag Nachmittag zu Besuch. Sie befand sich allein im Raum, als Edward eintraf, und hatte Emerson Anweisung gegeben, ihn unverzüglich in den grünen Salon im Erdgeschoss zu führen.
Sie hatte dafür gesorgt, dass die Mädchen in die Leihbücherei gegangen waren und Marcus den Nachmittag mit Freunden auswärts verbrachte. Aus für sie selbst unerfindlichen Gründen wollte sie nicht, dass jemand etwas von dem Gespräch mit Edward erfuhr. Es war lächerlich, wie sie wusste.
Edward erschien wie immer elegant in einem knapp sitzenden blauen Tuchrock und hellgelben Breeches. Die hohen Schaftstiefel waren von seinem Kammerdiener auf Hochglanz poliert worden, der Batist von Hemd und Krawatte hätte nicht weißer sein können. Sich über Sophys Hand beugend, sagte er: »Es freut mich, dass du endlich zur Besinnung gekommen bist, Mädchen. Du hast deine Nase ungebeten in Miss Richmonds Angelegenheiten gesteckt, obwohl sie dich nichts angehen.«
»Ich habe dich nicht zu mir gebeten, um über Miss Richmond zu sprechen. Und ich möchte dich daran erinnern, dass mein Einschreiten dir vielleicht nicht genehm war, ihr aber umso mehr.«
Edward warf ihr einen finsteren Blick zu. »Du glaubst wohl, du hättest gewonnen und könntest dich jetzt richtig aufplustern. Lass dir eines gesagt sein: Wenn du und dein Bruder, dieser freche Bengel, mich nicht respektvoller behandelt, werdet ihr rasch merken, wer hier das Sagen hat!«
Sophy runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
Edward lächelte boshaft. »Ich meine damit, dass ihr machtlos seid, falls ich Schritte unternehme, um Phoebe in meine Obhut zu bekommen. Ich bin ihr Vormund. Meiner Großzügigkeit allein ist es zu verdanken, dass ich dir freie Hand lasse. Ich kann sie zu mir holen, wann immer es mir beliebt!«
Auf Sophys entsetzten Blick hin krächzte er: »Du hast wohl geglaubt, du hättest mich ausgeschaltet? Irrtum, meine Liebe! Ich werde dafür sorgen, dass du Phoebe nie wieder siehst, bis sie mit einem Mann meiner Wahl verheiratet ist. Na, wie gefällt dir das?«
»Das würdest du nicht wagen!«, stieß Sophy mit flammendem Blick hervor. »Lass dir gesagt sein, dass ich es nie zulassen werde! Phoebe wird dir nie mehr in die Hände fallen. Du wirst ihr nicht antun, was du mir angetan hast. Ich werde es nicht dulden. Eher töte ich dich.«
Die unverkennbare Wut in Sophys Gesicht ließ Edward zurückweichen. »Na, na, so weit muss es nicht kommen«, protestierte er. »Ich habe nicht die Absicht, meine Nase überall hineinzustecken, auch wenn du es so hältst.«
Sophy, die sich mit Mühe fasste, fragte gepresst: »Was liegt dir eigentlich an einer Ehe mit Miss Richmond? Genügt es dir nicht, das Vermögen meiner Geschwister zu plündern?«
»Man muss vorausblickend agieren«, erwiderte Edward leichthin, von Sophys Haltung nicht im Mindesten irritiert. »Noch vor Ablauf von zwei Jahren wird Marcus einundzwanzig, und damit endet meine Vormundschaft. Ich werde ihm alles überlassen müssen, sogar Phoebes Obhut und Vermögen. Damit gerate ich in einen Engpass, der mich schon viel Überlegung kostete.« Er lächelte Sophy charmant zu. »Leider ist es so, dass ich ohne das Vermögen der Graysons mittellos bin. Ich musste eine Möglichkeit finden, meine Verluste auszugleichen. Gücksspiel ist keine Lösung, da es zu riskant ist, aber die Heirat mit einer Erbin ...! Damit wäre ich endgültig saniert. Seit Monaten halte ich Ausschau nach einer reichen Frau, die meisten haben aber einen ganzen Rattenschwanz engstirniger Verwandter hinter sich, die vor Glücksrittern wie mir auf der Hut sind. Man hätte für mich nicht mal ein freundliches Nicken übrig, ganz zu schweigen davon, dass ich die Chance zu einer Werbung erhielte. Als ich entdeckte, dass Agnes Vormund der Richmonderbin ist, konnte ich mein Glück kaum fassen.«
»Und wie ist das gekommen?«, fragte Sophy offenkundig angewidert.
Edward besaß so viel Anstand, ein verlegenes Gesicht zu machen. »Nun ja ... Miss Weatherby selbst wäre
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