Im Sturm der Herzen
früh an.«
Sie ging hinaus, und ihr Vater fuhr sie in die Stadt. Allie starrte aus dem Auto das weiße, zweistöckige Haus an, in dem sich ihr Apartment befand. »Ich war so lange weg, dass ich ganz vergessen habe, euch zu fragen, was eigentlich mit meinem Wagen passiert ist.«
»Er steht auf deinem Parkplatz an der Straße.«
Ihr Vater steuerte den Buick an den Randstein. »Dieser junge Detective, mit dem Barb befreundet ist, hat ihn am Wochenende zurückgebracht. Er sagte, er legt dir die Schlüssel in den Briefkasten.«
Allie beugte sich hinüber und küsste ihn auf die Wange. »Danke, Dad.«
Sich Whiskers an die Brust drückend, ging sie die Treppe zu ihrem Apartment hinauf und winkte ihrem Vater zum Abschied. Dann holte sie den Schlüssel aus der Tasche, ging hinein, machte die Tür hinter sich zu und lehnte sich seufzend dagegen. Ihr Blick schweifte langsam durch den nur schwach erhellten Raum. Die Jalousien waren zu, und in der Luft lag ein modriger Geruch, der vorher nicht da gewesen war.
Früher war die Wohnung so heiter und warm gewesen; viele schöne Grünpflanzen, ihre Katze und ihre beste Freundin. Jetzt waren die Pflanzen allesamt vertrocknet, eine Staubschicht bedeckte Sofa und Stühle sowie den überladenen Tisch davor. Das Apartment erschien ihr kalt und leer, nur noch von hohlen Erinnerungen erfüllt.
Sie setzte Whiskers auf den dunkelbraunen Teppichboden, machte Jalousien und Fenster auf und ließ die Meerbrise herein. Man hätte putzen müssen, aber irgendwie fehlte ihr dazu die Energie. Eine Depression vermutlich, der Absturz, der solchen hoch emotionalen Erfahrungen folgte.
Der Geschäftsführer des Raucous Raven hatte ihr ihre Stelle freigehalten, wie ihre Mutter berichtet hatte. Sie konnte zur Arbeit, wann immer sie wieder dazu in der Lage wäre, aber die Aussicht gefiel ihr nicht besonders. Den Kellnerinnenjob hatte sie ja nur angenommen, um die Zeit bis zum Ende der Computerkurse zu überbrücken. Jetzt hatte sie fast einen ganzen Monat versäumt, und es reizte sie nicht gerade, von vorne anzufangen.
Morgen, sagte sie sich, morgen würde sie sich besser fühlen und wieder die Alte sein.
Sie ignorierte die blaue Segeltuchtasche, die auszupacken sie sich nicht aufraffen konnte, sank aufs Sofa und versuchte, nicht an Jake zu denken.
23
Allie schaffte es erst Mittwochabend, zu Barbs Apartment zu fahren. Eine Stunde, nachdem sie in ihre eigene Wohnung zurückgekehrt war, wimmelte es auf dem Rasen vor dem Haus von Kameras, Fernsehteams und Zeitungsreportern.
Offenkundig hatte irgendwer herausgefunden, wo sie sich all die Wochen, die sie als vermisst gegolten hatte, aufgehalten hatte, dass sie letzten Abend zurückgekommen war und wie ihre Verbindung zu Felix Baranoff aussah. Die Nachrichtenleute waren in ganzen Horden angerückt, und Allie hatte ihnen nur entkommen können, indem sie, nachdem sie eine Tasche gepackt hatte, aus dem Fenster der Waschküche geklettert war, die sich auf der Hinterseite des Gebäudes befand, und mit ihrem kleinen grünen Beetle zum nahe gelegenen Easy 8 Motel geflitzt war.
Zumindest hatte sie die Nacht über halbwegs schlafen können. Nachdem sie aus ihrem Apartment entkommen war, hatte sie kaum noch an Chrissy gedacht oder daran, dass Chrissys Mörder entwischt war. Unglücklicherweise dachte sie jedoch irgendwann an Jake. Es schien nichts zu geben, das sie dagegen hätte tun können.
Am nächsten Morgen rief sie Barb an, dankte ihr für ihre Hilfe und die Freundlichkeit, mit der sie sich ihrer Eltern angenommen hatte und fragte, ob sie vorbeikommen könne, sobald Barb von der Arbeit zu Hause war.
»Soll das ein Witz sein?«, fragte Barb. »Ich bin ganz versessen darauf, dich zu sehen. Auf allen Kanälen zeigen sie dein Foto. Ich hab die Kamerateams gesehen, die vor deinem Haus stehen. Was hältst du davon, bei mir zu wohnen?«
»Danke, Barb, ich weiß das Angebot zu schätzen, aber im Moment brauche ich ein bisschen Zeit für mich allein.«
»Also, wie gesagt, ich will dich unbedingt sehen. Ich will jedes blutrünstige Detail wissen.«
Allie glaubte zwar nicht, dazu schon bereit zu sein, aber sie freute sich darauf, die Freundin zu sehen, und vielleicht war es gut, mit jemandem zu sprechen. Sie erbot sich, Essen vom Chinesen mitzubringen, auch für die Jungs, und klopfte um drei Minuten vor sechs an Barbs Tür.
Kaum hatte sie die Wohnung betreten, überfiel Barb sie schon mit einer überschwänglichen Umarmung; gleich darauf kämpften beide
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