Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
plötzlichen Nebel, so dass er sie nur noch als Schatten wahrnahm.
Er spürte die Nässe klebrig auf seiner Haut und begann zu frieren. Er wollte zu Charlotta, sich an ihren warmen Körper schmiegen und die Kälte fort jagen, doch die Liebste wich immer weiter in den Nebel zurück und Vasco bemerkte, dass sich seine Füße nicht einen Zentimeter von der Stelle rührten. Schneller und immer schneller rannte er, doch Charlotta entfernte sich mit jedem Lidschlag weiter von ihm, denn noch immer rannte er auf der Stelle. Der Regen wurde stärker. Sein Haar triefte bereits vor Nässe. Jetzt öffnete der Himmel alle Schleusen und schickte das kalte Wasser gleich Kübelweise auf Vasco nieder. Seine Knöchel befanden sich bereits im Wasser, doch mit jedem Atemzug stieg es schneller, erreichte bald die Hüfte, dann die Brust, den Hals. Noch ein Atemzug, dann würde ihm das Wasser in den Mund schwappen. »Charlotta!«, rief er und streckte die Hände nach der Gestalt aus, die sich nun im Nebel auflöste. »Charlotta!«
Er erwachte von seinem eigenen Schrei. Der Schweiß lief in Strömen an seinem Körper herab, so dass sein Hemd an ihm klebte wie eine zweite Haut. Es war nur ein Traum, versuchte er sich zu beruhigen, doch im selbem Augenblick wurde ihm klar, dass er vom Ertrinken geträumt hatte. Ertrinken. Arabinda. Blitzartig fiel ihm das Gespräch mit dem Inder wieder ein. Er rappelte sich hoch, trat an die Reling und sah zu Dom Pedros Karavelle hinüber, die noch immer unschuldig im Mondlicht leise vor sich hin schaukelte. Und plötzlich wusste er, wie er Charlotta und Suleika retten konnte. Eine Möglichkeit gab es, eine einzige nur. Doch Vasco da Gama würde diese Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er war bereit, sein Leben für Charlotta und Suleika aufs Spiel zu setzen.
»Ich liebe dich, Charlotta«, flüsterte er und sah dabei auf die Sao Manuel, als hoffe er, ein mystischer Wind könne seine Gedanken und Worte hinüber tragen in Charlottas Kabine, in ihren Traum.
»Ich liebe dich mehr als mein Leben und werde alles tun, um das deine zu retten. Du bist meine Frau vor Gott, bist mein Lieb und mein Leid.«
Dann drehte er sich um und ging entschlossen hinunter in seine Kabine, um noch ein wenig zu schlafen und Kraft zu schöpfen für das, was er am nächsten Tag plante.
Kapitel 18
B ereits im Morgengrauen war er wieder auf den Beinen. Er genoss sein Frühstück, als wäre es eine Henkersmahlzeit. Aber hatte er nicht allen Grund dazu? Sein Vorhaben war gewagt. Nein, mehr als das: Es war tollkühn und so unvernünftig wie ein Sprung von den höchsten Felsenklippen ins Meer. Nach dem Essen rief er seinen besten Mann an Bord zu sich.
»Paco, du wirst heute die Sao Gabriel verlassen. Kauf dir das beste Pferd, das du in Mombasa bekommen kannst und reite so schnell du nur kannst nach Kalikut. Hier, dieses Schreiben gibst du dem Zamorin, aber nur ihm. Sorge dafür, dass er es sofort erhält und auf der Stelle liest. Halte dich unterwegs nirgends auf, raste nicht länger als unbedingt nötig. Das Leben mehrerer Menschen hängt davon ab, dass du Kalikut sehr bald erreichst.«
Der junge Mann mit dem sehnigen Körper, der nur aus Muskeln zu bestehen schien, nickte. »Ay, ay, Kapitän. Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Ich breche sofort auf.«
Vasco nickte lächelnd. »Ja, ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, Paco. Deshalb bist du es auch, den ich für diese Aufgabe vorgesehen habe. Ich wünsche dir viel Glück und Gottes Segen.«
Der junge Mann verließ raschen Schrittes die Kapitänskajüte und gleich darauf hörte Vasco, wie der Mann von Bord ging.
Nun erledigte er noch einige andere wichtige Dinge, rief die Männer zu sich und erteilte ihnen Anweisungen. Dann holte er die Schreibfeder und das Logbuch und machte sich daran, eine letzte Nachricht einzutragen: »Heute werde ich die Sao Gabriel verlassen«, schrieb er, »und meineRückkehr ist ungewiss. Ich gebe mein Leben in Gottes Hand. Einen Freund werde ich verraten, um ihn und die, die ich liebe, vor dem Tod zu bewahren ...«
Er streute Sand über das Geschriebene, steckte sein Schwert in die Scheide und den schmalen, scharfen Dolch in seinen linken Stiefel, dann verließ er nach einem letzten Blick seine Kabine und ging an Deck. Er löste das zweite, kleinere Beiboot von der Verankerung und ließ es zu Wasser. Dann schwang er sich über die Reling, erklomm das Boot und ruderte langsam immer weiter von der Sao Gabriel weg in Richtung der
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