Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
geworden zu sein.
»Es tut mir Leid, Vater, dass ich dir Sorgen bereitet habe«, entschuldigte sich Charlotta. »Ich war am Strand, habe auf den Klippen gesessen, wie immer, wenn ich nachdenken muss. Beim Herunterklettern habe ich mir wohl den Fuß vertreten, so dass ich abgerutscht und ins Meer gestürzt bin. Ein junger Fischer sah mein Unglück, rettete mich aus den Fluten und brachte mich in das Haus seiner Mutter. Meine Ohnmacht muss sich in einen langen Schlaf verwandelt haben, denn erst heute Morgen bin ich im Haus von Mama Immaculada erwacht.«
Dom Ernesto sah seiner Tochter in die Augen, doch Charlotta erwiderte seinen Blick so fest, dass er ihr schließlich glaubte oder zumindest keine weiteren Fragen stellte. Was auch immer geschehen war, jetzt war Charlotta wieder zu Hause.
»Hauptsache, jetzt bist du gesund und munter«, beendete er das Thema und schickte nach einer Magd, die zum Dank mehrere Körbe voller Lebensmittel, Kleiderstoffe und Geschirr und dazu einen prall gefüllten Beutel mit Dukaten in das Haus von Mama Immaculada bringen sollte.
Dann wies er seine Tochter an, sich für den Abend, an dem Dom Pedro gemeinsam mit den Alvarez’ den Verlobungstermin ausmachten wollte, zurecht zu machen.
Und nun stand Doña Charlotta vor dem Spiegel, die Haut noch rosig und duftend vom Bad, und ließ sich von Juana das Haar bürsten.
»Ihr seid so fröhlich, Doña Charlotta«, stellte Juana fest. »Habt Ihr Euch an den Gedanken gewöhnt, Dom Pedros Frau zu werden? Recht tut Ihr daran. Manche Dinge kann man nicht ändern. Warum also Trübsal blasen? Vielleicht ist Dom Pedro sogar besser als sein Ruf? Und wenn nicht, so hat es schon manche Frau verstanden, ihren Mann zur Vernunft zu bringen. Die Liebe kann Berge versetzen, heißt es.«
»Ja, Juana. Die Liebe kann Berge versetzen. Bald schon werden wir den Beweis dafür haben«, erwiderte Charlotta und betrachtete sich im Spiegel.
Sie sah eine junge Frau mit klaren grünen Augen, die etwas Katzen artiges hatten, einem vollen, sinnlichen Mund und einer Fülle an glänzendem roten Haar, das seinesgleichen suchte.
Doch obwohl ihre Blicke fröhlich waren, wirkte sie doch nicht wie eine glückliche Frau, die in wenigen Minuten den Termin für das offizielle Heiratsversprechen ablegen sollte. Ihr Kleid war es, das das Bild störte.
Schwarz wie die Nacht, dunkel wie der Tod war es und reichte bis hinauf zu ihrem Hals, verdeckte alle Formen ihres Körpers, verhüllte ihre Schönheit und erinnerte eher an ein Witwen- als an ein Verlobungskleid.
Auch ihre widerspenstige Lockenmähne ergoss sich heute nicht wie ein Sturzbach über ihre Schultern und den Rücken, sondern war unter einem schwarzen Schleier verborgen.
»Überlegt es Euch, Charlotta, ob Ihr wirklich diese Kleid tragen wollt«, hatte Juana gejammert, als Charlotta ihren Entschluss mitteilte und die Zofe bat, eben dieses Kleid zurechtzulegen. »Es passt nicht zu Euch und nicht zum Anlass. Dom Pedro wird gekränkt sein, wenn Ihr ein schwarzes Kleid an einem solchen Freudentag tragt.«
Doch Charlotta hatte erwidert: »Mein Verlobter wurde gestern Abend für tot erklärt. Wieso sollte ich keine Trauer tragen? Ziemt es sich etwa für eine Trauernde, helle Kleider mit bunten Bändern zu tragen? Wenn Dom Pedro so taktlos ist, die Festlegung des Verlobungstages einen Tag nach der Totenmesse zu wünschen, so werde ich gewiss nicht in diese Taktlosigkeit einstimmen. Entweder, er trifft sich mit einer Frau, die sichtbar für alle um ihren Geliebten trauert, oder aber er verschiebt die Feier.«
»Ihr wisst genau, Doña Charlotta, dass Dom Pedro ausdrücklich auf diesem Tag bestanden hat. Er soll Euch von Eurer Trauer befreien, hat er verkünden lassen.«
»Ach, Juana«, erwiderte Charlotta und diesmal gelang es ihr nicht, die Traurigkeit aus ihrem Blick zu bannen. »Wir beide wissen genau, dass es Dom Pedro nicht darum geht, mich zu trösten. Er wird nicht um meine Hand anhalten, weil er mich liebt. Oh, nein. Dom Pedro möchte nicht mich zur Frau; ihm geht es einzig darum, Vasco da Gama zu nehmen, was ihm gehört. Dom Pedro möchte sich nicht mit mir verloben. Er verlobt sich mit meinem Namen, mit meinem Besitz und mit allem, was damit verbunden ist.«
Juana senkte den Blick und scharrte mit ihrem Fuß auf den glänzenden Dielen. Sie wusste, dass Doña Charlotta die Wahrheit sprach. Trotzdem sagte sie: »Ihr solltet nicht so reden, Charlotta. Die Heirat mit allem, was dazu gehört, ist das wichtigste Erlebnis
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