Im Sturm der Sinne
grobschlächtiger Seemann fest im Griff hielt, befand sich eine befestigte Bank mit einer Rückenlehne. Dummerweise gab es kein schattenspendendes Vordach, und Elens blasses Gesicht war bereits leicht gerötet.
Deidre war zu aufgeregt, um sich zu setzen. Das war ihre Chance, sich endlich von Niall zu befreien. Sie fand Gilead in der Mitte des Schiffs und verrenkte sich fast den Hals, um zu dem höchsten Mast hinaufzuschauen, wo ein Seemann, ein Bein um den Mast geschlungen, vom Nock herabhing und laut fluchend versuchte, ein verheddertes Seil zu lösen.
»Mach es los, du verdammter Narr«, brüllte ein anderer Matrose. »Wir treiben in die Strömung, und die Gezeiten wechseln.«
Während er noch sprach, konnte Deidre fühlen, wie das Schiff vom Kurs abwich und steuerbord gezogen wurde, so dass es fast über die Steine des natürlichen Hafenbeckens streifte. Noch mehr Flüche wurden laut von den sich abmühenden Ruderern, die mit vereinten Kräften backbord versuchten, das Boot wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.
»Ich dachte, wir hätten Ebbe?«, fragte Deidre.
Gilead sah zu ihr hinab und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder dem Mann am Rundholz zu. »Du solltest wieder in deine Kabine gehen«, sagte er. »Beim Hissen der Segel ist das Deck nicht der richtige Ort für dich.«
»Antworte mir zuerst.« Ihr Cousin hatte seine Angriffe auf See akribisch geplant. Sie war sich sicher, dass sie recht hatte.
Er seufzte genervt. »Du bist zu stur, Mädchen. Wir sind spät dran und die Flut kehrt zurück, aber die nächste Ebbe kommt nicht vor der Dämmerung. Ich werde nicht zulassen, dass du und meine Mutter die Nacht an den Docks verbringen. Das ist zu gefährlich. Geh jetzt.«
Plötzlich löste sich das Tau, und das riesige rechteckige Segel stürzte herab. Gilead griff nach Deidre und rollte mit ihr über das Deck, gerade als einer der Schote, die am Segel angebracht waren, in einer tödlichen Gegenreaktion an der Stelle vorbeipeitschte, wo Deidre gerade gestanden hatte.
Sie spürte, wie Gilead zitterte, als er auf ihr lag und ihren Kopf mit seinen Armen schützte. Er war wütend, weil sie dumm genug gewesen war, auf Deck im Weg zu sein, aber sein Körper fühlte sich auf ihrem so gut an, dass sie sich einen Augenblick lang nicht darum kümmern wollte.
»Du hättest sterben können«, fuhr er sie an, als er sich auf die Ellbogen stützte.
»Dann danke ich dir, dass du mich gerettet hast«, sagte Deidre lächelnd, als sie zu ihm aufblickte. Konnte sie es wagen, ein wenig mit den Hüften zu wackeln? Sie verlagerte leicht ihr Gewicht und verspürte erfreut eine deutliche Schwellung, die gegen ihren Oberschenkel drückte.
Er atmete hörbar ein, rollte von ihr herunter und half ihr auf, als er wieder stand. »Geh zu meiner Mutter und bleib dort, Dee. Ich habe hier zu tun.«
Noch immer etwas zittrig von der gerade noch verhinderten Katastrophe – oder von der plötzlichen Nähe zu Gilead –, beschloss sie, sich zu fügen. Elen tätschelte ihre Hand, als sie sich zu ihr setzte. »Alles in Ordnung? Ich mochte Segeln noch nie leiden.«
Deidre nickte und sah dabei zu, wie die Matrosen die Schote auffingen, sie um Klemmen wickelten und das Seil backbord spannten, so dass die Brise aus Nordost das rechteckige Segel füllen konnte. Hoch oben am Rundholz entrollten die Seeleute zwei dreieckige Segel und befestigten sie. Das Schiff fand die richtige Lage und glitt sanft in die Mündung, die zum Firth of Clyde führte.
Deidre wartete, bis alles auf Deck seine Ordnung gefunden hatte und die Galeere sanft die Wasser des Firth teilte, bevor sie sich Gilead im Bug des Bootes näherte. Er lehnte an der Reling und beobachtete Seelöwen, die in der Bugwelle des Bootes spielten. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und wandte sich dann wieder den Spielen der Tiere zu. »Manchmal heißt es, dass sie in Wirklichkeit Selkys sind, Wesen, die menschliche Gestalt annehmen können und am Strand tanzen«, sagte er. »Meine alte Amme hat mir immer erzählt, dass die Männchen sehr verführerisch seien.«
Sie spähte in das schäumende Wasser hinab. Eines der Tiere hatte ein helleres Fell als die anderen und sprang fast mit seinem ganzen Körper aus dem Wasser, während es Gilead beäugte. Deidre lachte. »Ich glaube das ist ein Mädchen. Locken sie auch Männer an?«
»Die Legende sagt, wenn ein Mann die Fellhaut eines Selky-Weibchens berührt, dann bleibt sie in menschlicher Gestalt für immer bei ihm.« Er lächelte, als der
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