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Im Sturm der Sinne

Im Sturm der Sinne

Titel: Im Sturm der Sinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Breeding
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geradem Rücken standen dick gepolstert und mit feiner Seide geschmückt um ihn herum. Aber es war der Tischläufer, der Deidre am meisten faszinierte. Kompliziert gehäkelte Rosen vermischten sich mit verschlungenen Reben auf dem wunderbarsten und feinsten Stück Spitze, das sie jemals gesehen hatte.
    Das war also die Spitze, von der Elen gesprochen hatte. Noch nicht einmal Clotilde, die so stolz auf die feinen Altardecken gewesen war, die für die Kirche gemacht wurden, hatte jemals etwas so Schönes besessen. Kein Wunder, dass Elen wünschte, Dallis solle bei ihrer Hochzeit mit Gilead etwas davon tragen. Deidre schluckte bei diesem Gedanken mühsam einen dicken Kloß in ihrem Hals hinunter.
    Dann sah sie genauer hin. Rosen und Rebstöcke. In der alten Zeit standen die fünf Blätter der Rose für die fünf Phasen der Weiblichkeit, aber die Rose war auch das Symbol für die Wanderung der Venus. Der Astronom an Childeberts Hof hatte sie gelehrt, dass der Stern der Göttin in acht Jahren fünfmal die Sonne rück- oder vorwärts kreuzte. Dieser Pfad in Form eines Drudenfußes, den der Stern dabei am Himmel beschrieb, ergab die fünf Blütenblätter der Rose. Was Deidre daran am meisten fasziniert hatte, war, dass Venus entweder der Morgen- oder der Abendstern war, je nachdem, in welcher Phase sie sich befand. Deidre fehlte der freundliche alte Mann, der ihr, geduldig wie er war, so viel über die am Nachthimmel versteckte verborgene Weisheit beigebracht hatte. Clotilde hatte ihn des Hofes verwiesen, weil sie seine Lehren für zu heidnisch hielt; zuvor hatte er Deidre aber noch in dem bestärkt, was ihre Mutter sie gelehrt hatte, nämlich in Schnitzereien und Gemälden nach der Rose zu suchen, als einem versteckten Symbol der weiblichen Kraft.
    Und dann die Reben, die sich um die Stiele der Rosen wanden, so beweglich und biegsam wie Schlangen. Ein weiteres Symbol für Weiblichkeit und Weisheit. Deidre verzog das Gesicht, als sie der anmutigen Linie einer Rebe folgte und daran dachte, wie sehr die Schlange geschmäht wurde. Aber die Reben verbanden die Rosen zu einem faszinierenden Muster. Über das Ende des Läufers, an dem Deidre saß, breitete sich eine große Rose. Reben wuchsen von dieser Rose aus in verschiedene Richtungen und trugen jeweils eine Rose am Ende ihrer verschlungenen Windungen. Neun mittelgroße Rosen befanden sich so am anderen Ende des Läufers. Sie neigte sich nach unten und sah sich eine der Rosen genauer an. Eine kleine Initiale, kaum wahrnehmbar, war über ein Blütenblatt gestickt. Sie blickte zu einer anderen Rose. Eine weitere Initiale, aber eine andere. Jetzt bemerkte sie, dass zu jeder Blume eine Initiale gehörte. Die letzte trug ein »E«.
    Deidre hielt in Gedanken inne. Das Buch des Zauberers besagte, dass es im mystischen Avalon neun heilige Priesterinnen gab. Das alte Weib, das ihrer Mutter die Mysterien weitergegeben hatte, hatte tief in ihr das Wissen verwurzelt, dass die Nachfahren von Magdalena eines Tages die wahre, liebende, friedenbringende göttliche Macht von Isis wiedererwecken würden. War es möglich, dass diese beiden Elemente in diesem Muster vereinigt waren? War es möglich, dass sie einen versteckten Schlüssel zu ihrer Blutlinie vor sich erblickte? Der mittlerweile schon vertraute Schwindel ergriff sie, und sie musste sich am Rücken des Stuhls festhalten, bis er vorbeiging.
    »Das ist eine wunderschöne Arbeit«, sagte Deidre, als ihr Blick wieder klarer wurde und sich alle gesetzt hatten. »Sie scheint beinahe eine Geschichte zu erzählen.«
    Elen warf ihr einen seltsamen Blick zu. »Mein Großvater hat ihn für mich gemacht, als ich noch ein ganz kleines Kind war.«
    »Die Näherin Eures Großvaters war äußerst geschickt.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Mein Großvater selbst hat den Läufer gemacht.«
    »Euer Großvater?«, Deidre war verwirrt.
    »Ja. Er hatte sich im Kampf schwer am Oberschenkel verletzt. Die Wunde wollte niemals richtig verheilen. Zunächst gab er sich damit zufrieden, seine Tage mit Angeln zu verbringen und überließ seine Aufgaben meinem Vater, aber er begann bald, sich zu langweilen. Er sagte meiner Großmutter, dass er in seinem Leben noch etwas tun wolle, das Bestand hatte.«
    »Und sie hat ihn die Stickerei gelehrt?«, fragte Deidre und besah sich noch einmal das Muster. »Er muss Jahre gebraucht haben!«
    »In der Tat«, antwortete Mac Erca. »Meine Mutter schloss sich manchmal für Stunden mit ihm ein. Niemandem war es erlaubt,

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