Im Sturm der Sinne
Argwohn nicht noch mehr zu erregen, als es ohnehin schon der Fall ist.«
Seltsamerweise fühlte sich Deidre erleichtert. Sie wollte keineswegs Gileads Vater als vorsätzlichen Mörder entlarven. »Dann muss ich ihn um Verzeihung bitten.«
Gilead sah sie erleichtert an. »Ja. Das wäre ein Anfang.«
Ein anderer Gedanke schoss ihr durch den Kopf. »Aber was ist mit Formorian?«
Gilead sah sie fragend an »Was soll mit ihr sein?«
»Sie war hier, als Eure Mutter vergiftet wurde. Und gestern ist sie zurückgekehrt. Und hattet Ihr nicht gesagt, dass Eure Mutter ihren ersten Rückfall hatte, zwei Tage, nachdem Turius und Formorian angekommen waren?«
»Ja«, gab Gilead nachdenklich zurück.
Deidre drängte weiter. »Die Königin trägt einen Dolch; es dauert nicht lange, den Läufer aufzuschlitzen und die Nägel zu ziehen. Und Ihr habt selbst gesagt, dass sie stärker ist, als sie aussieht.«
»Ja, das habe ich.« Er spielte mit dem Federkiel, den sein Vater hingeworfen hatte, und seufzte. »Ich habe versucht, sie voneinander fernzuhalten, indem ich meinem Vater gefolgt bin. Vielleicht sollte ich lieber auf ihrer Spur bleiben.«
Deidre konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Sie würde Euch wahrscheinlich für einen weiteren Verehrer halten.«
Gilead verzog das Gesicht. »Wohl kaum. Aber mein Vater würde misstrauisch werden, nehme ich an.«
»Dann lasst mich ihr folgen«, sagte Deidre. »Ich werde mich als eine Art Entschuldigung bei deinem Vater mit ihr anfreunden. So kann ich sie im Auge und außer Reichweite Eurer Mutter halten.«
Er nickte und stand neben ihr auf. Dabei streifte er kurz ihre Schulter. »Ich sollte dir für deine Sorge um meine Mutter danken.«
Ihre Schmetterlinge begannen durcheinanderzuschwirren, als diese Berührung ein Schaudern in ihren Bauch schickte. Sie atmete mit einem leisen Seufzer ein. Die Berührung bedeutete ihm gar nichts, es war nur eine freundliche Geste, vielleicht eine Art Entschuldigung, weil er ihr gegenüber so kühl gewesen war. Ihre Reaktion – ihm hier und jetzt die Kleider vom Leib reißen zu wollen – war völlig unangebracht.
»Auch meinem Vater solltest du keinen Grund geben, sich über dich Gedanken zu machen. Was wirst du ihm sagen?«
Deidre dachte darüber nach. Bisher schien Turius nichts davon erwähnt zu haben, dass er ihre Eskorte gefangengenommen hatte – oder falls er es getan hatte, hatte Angus keine Verbindung zwischen den beiden Vorfällen hergestellt –, und Deidre wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf ihre Herkunft lenken. Die naheliegendste Lösung wäre wohl, sich von Formorian das Reiten beibringen zu lassen, aber das würde bedeuten, dass Gilead wahrscheinlich gänzlich aus ihrer Nähe verschwand. Soweit sie es beurteilen konnte, war ihre Anziehung nur einseitig. Trotzdem wollte ihn die vernarrte Romantikerin in ihr nicht so einfach ziehen lassen. Wenn er ihr weiterhin Unterricht gab, konnte sie ihn zumindest sehen und von ihm träumen.
»Ich werde ihm sagen, dass ich ihre Talente und Fähigkeiten bewundere und von ihr lernen möchte.«
Gilead lächelte sie mit seinem schiefen Grinsen an. »Für meinen Vater liegen ihre zahlreichen ›Talente und Fähigkeiten‹ in der Kunst der Verführung.«
»Das ist mal eine gute Idee«, witzelte Deidre und spürte, wie sie errötete. Sie hatte an Waffen gedacht, aber vielleicht würde sie, wenn sie die Königin beobachtete, das Geheimnis ergründen, mit welcher Fähigkeit sie die Männer verzauberte. Und vielleicht würde das auch bei Gilead funktionieren … Sie schloss ihre Augen, und sofort tauchte dort das Bild des nackten Gilead auf, wie er sich über ihr erhob, starke Arme angespannte, eine vom Schweiß glitzernde Brust … und diese Wölbung. Wie sah Gilead
dort unten
aus? Ihr stockte der Atem – lieber Himmel, was dachte sie da gerade? –, und sie zwang sich, ihre Augen zu öffnen.
Er war näher getreten. Seine Miene veränderte sich ganz leicht, jetzt da er sie betrachtete. Seine Pupillen weiteten sich und ließen die Iris fast violett erscheinen. Langsam näherte sich seine Hand ihrem Kinn und schloss sich darum. Dann fuhr er mit seinem Daumen ganz leicht die Umrisse ihrer Lippen nach.
»Du willst geküsst werden?« Es war viel weniger eine Frage als eine Feststellung.
Guter Gott. Sie sollte das nicht tun. Er hatte ihr mit seiner streng formellen Art deutlich zu verstehen gegeben, dass er nichts mit ihr zu tun haben wollte. Das hier bedeutete ihm gar nichts. Sie
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