Im Sturm des Lebens
dich begehrt. Heute brauche ich dich.«
Tränen traten ihr in die Augen. Ihre Lippen zitterten vor Worten, die sie nicht sagen konnte. Und dann war sie so erfüllt von ihm, dass sie nur noch seinen Namen schluchzen und sich ihm hingeben konnte.
19
W as hatte ein dreiundsiebzig Jahre alter Winzer aus Italien mit einer sechsunddreißig Jahre alten Verkaufsleiterin aus Kalifornien gemein? Giambelli, dachte David. Es war die einzige Verbindung, die er zwischen den beiden herstellen konnte.
Und die Art, wie sie gestorben waren.
Die Exhumierung von Bernardo Baptista hatte bestätigt, dass er durch den Merlot eine gefährliche Dosis Digitalis zu sich genommen hatte. Das konnte kein Zufall sein. Die Polizei auf beiden Seiten des Atlantiks bezeichnete es als Mord, und der Wein der Giambellis war die Mordwaffe.
Aber warum? Welches Motiv verband die Tötung von Margaret Bowers und Baptista?
Als die Kinder zu Bett gegangen waren, machte David zunächst eine Kontrolle in den Giambelli-Weinbergen und fuhr dann zu MacMillan. Da die Temperatur gefallen war, hatten er und Paulie die Sprinkleranlage angestellt und waren die Reihen entlanggegangen, während das Wasser an den Weinstöcken sofort gefror und die dünne Eisschicht einen Schutzschild gegen den drohenden harten Frost bildete. Er wusste, dass Paulie die ganze Nacht über Wache stehen und darauf achten würde, dass die Wasserzufuhr nicht versiegte. Vor der Dämmerung waren Temperaturen unter dem Gefrierpunkt angesagt.
Weinstöcke konnten genauso schnell und leise umgebracht werden wie Menschen.
Aber das vermochte er wenigstens zu kontrollieren. Die Brutalität der Natur konnte er verstehen und dagegen ankämpfen. Aber wer war schon imstande, einen kaltblütigen und scheinbar zufälligen Mord zu verstehen?
Der feine Wasserdunst wirbelte über die Weinstöcke der MacMillans, und die winzigen Tröpfchen glitzerten im kalten Licht des Mondes. David zog seine Handschuhe an, griff nach der Thermosflasche und stieg aus dem Auto, um die letzten Schritte zu laufen.
Tyler saß auf einem umgedrehten Fass und trank aus seiner Thermosflasche. »Ich dachte mir, dass Sie vorbeikommen würden.« Einladend tippte er mit der Spitze seines Stiefels auf ein weiteres Fass. »Nehmen Sie sich einen Stuhl.«
»Wo ist Ihr Vormann?«
»Ich habe ihn eben nach Hause geschickt. Wir brauchen uns ja nicht beide die Nacht um die Ohren zu schlagen.« In Wahrheit wollte Ty nur ungestört seinen Gedanken nachhängen.
»Wir tun alle, was wir können.« Tyler zuckte mit den Schultern und blickte prüfend auf die Reihen, die sich unter den Lichtern in ein funkelndes Wunderland verwandelten. »Das System läuft einwandfrei.«
David setzte sich und zog den Deckel von seiner Thermosflasche ab. Wie Ty trug er eine Skimütze und eine dicke Jacke, die sowohl Kälte als auch Feuchtigkeit abhielt. »Paulie hat die Wache bei Giambelli übernommen. Kurz nach Mitternacht hat es Frostalarm gegeben, aber wir waren schon darauf vorbereitet.«
»Das ist normal für Ende März. Tückisch ist die
Zeit Ende April, bis in den Mai hinein. Wenn Sie schlafen gehen wollen, übernehme ich die Wache hier.«
»In der letzten Zeit hat niemand besonders viel geschlafen. Kannten Sie Baptista?«
»Nicht wirklich. Mein Großvater hat ihn gekannt. La Signora hat es schwer getroffen. Natürlich zeigt sie es nicht«, sagte er. »Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Aber es hat sie umgehauen. Wie alle Giambelli-Frauen.«
»Produktmanipulation ...«
»Es geht nicht nur darum. Das ist nur die geschäftliche Seite. Die Sache mit Baptista ist persönlich. Sie sind damals zur Beerdigung geflogen. Für Sophia war er wohl so eine Art Maskottchen. Sie sagte, er habe ihr immer heimlich Süßigkeiten zugesteckt. Der arme alte Kerl.«
David beugte sich vor. »Ich habe darüber nachgedacht und versucht, eine Verbindung herzustellen. Wahrscheinlich Zeitverschwendung, da ich nur ein Manager bin und kein Polizist.«
Tyler musterte ihn über den Rand seines Kaffeebechers. »Sie machen nicht den Eindruck eines Zeitverschwenders. Und für einen Manager sind Sie gar nicht so übel.«
Halb lachend hob David seinen Becher. Der Dampf, der daraus aufstieg, vermischte sich mit dem nächtlichen Dunst. »Aus Ihrem Mund ist das ja ein ungeheures Kompliment.«
»Verdammt wahr.«
»Nun, nach dem, was ich weiß, hat Margaret Baptista nie kennen gelernt. Er war schon tot, als sie Avanos Kunden übernahm und zum ersten Mal nach Italien
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