Im Sturm des Lebens
wäre es sehr viel lieber, wenn du ihn übernähmst, und wenn alles so einfach wie möglich ablaufen würde. Und auch so sauber wie möglich.«
»Na, das finde ich enttäuschend.« Stirnrunzelnd schob Helen ihre Brille hoch. »Ich würde Tony schrecklich gern bluten lassen. Also, ich brauche deine Finanzunterlagen«, begann sie und ergriff einen gelben Notizblock. »Zum Glück habe ich dich vor Jahren schon dazu gebracht, Gütertrennung zu vereinbaren. Aber wir werden dich trotzdem schützen. Es könnte gut sein, dass er Forderungen stellt, Geld, Grundbesitz und so weiter. Und du wirst in nichts einwilligen.«
Helen blickte Pilar über den Rand ihrer Brille mit einem einschüchternden Blick an. »Das meine ich ernst, Pilar. Er bekommt nichts. Du bist die geschädigte
Partei. Er will die Scheidung. Er will wieder heiraten. Also geht er so hinaus, wie er gekommen ist. Ich werde nicht zulassen, dass du ihn von dem Ganzen profitieren lässt. Hast du das verstanden?«
»Es geht nicht um Geld.«
»Für dich vielleicht nicht. Aber er führt ein teures Leben, und er wird das nicht gern ändern wollen. Wie viel hast du ihm in den letzten zehn Jahren zukommen lassen?«
Pilar rutschte unbehaglich hin und her. »Helen ...«
»Genau. Darlehen, die nie zurückgezahlt wurden. Das Haus in San Francisco, das Haus in Italien, samt der Einrichtung.«
»Wir verkauften ...«
»Er verkaufte«, korrigierte Helen. »Damals wolltest du nicht auf mich hören, aber jetzt wirst du es tun müssen, oder du solltest dir einen anderen Anwalt suchen. Du hast niemals deinen gerechten Anteil an dem Grundbesitz bekommen, der in erster Linie mit deinem Geld bezahlt worden ist. Und ich weiß ganz genau, dass er einiges von deinem Schmuck und deinem persönlichen Besitz hat mitgehen lassen. Damit ist es jetzt vorbei.«
Helen schob erneut ihre Brille hoch und lehnte sich zurück. Durch diese Geste und diese Körperhaltung wurde aus der Richterin wieder die Freundin. »Pilar, ich liebe dich, und deshalb sage ich dir Folgendes: Du hast dich von ihm behandeln lassen wie ein Fußabtreter. Zum Teufel, du hättest dir genauso gut ›Willkommen‹ auf die Brüste sticken und ihn über dich hinwegtrampeln lassen können! Ich und auch alle anderen, die dich lieben, konnten kaum hinsehen.«
»Vielleicht stimmt das.« Pilar kämpfte gegen die Tränen. »Ich habe ihn geliebt, und ein Teil von mir
dachte, wenn er von mir abhängig wäre, würde er mich schon wiederlieben. Doch gestern Nacht ist etwas passiert, und alles hat sich geändert. Vermutlich hat es auch mich geändert.«
»Erzähl es mir.«
Pilar stand auf und erzählte Helen von dem Anruf. »Als ich hörte, wie er diese beiläufigen Entschuldigungen von sich gab, nur um René zu beschwichtigen, nachdem sie mich so angegriffen hatte, war ich erschüttert. Und später, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, stellte ich etwas fest: Ich liebe ihn nicht mehr, Helen. Vielleicht habe ich ihn schon seit Jahren nicht mehr geliebt. Das macht mich ganz elend.«
»Nein, das ist nicht mehr nötig.« Helen griff zum Telefonhörer. »Wir lassen uns etwas zu essen bringen. Dann erkläre ich dir, was getan werden muss. Und anschließend, Süße, werden wir es tun. Bitte.« Sie streckte die Hand aus. »Lass mich dir helfen.«
»Okay.« Pilar seufzte. »Okay. Dauert es länger als eine Stunde?«
»Nicht unbedingt. Carl? Bestellen Sie mir bitte zwei Clubsandwiches mit Hühnchen, als Beilage Salat, zwei Cappuccino und eine große Flasche Sprudelwasser. Danke.« Sie legte auf.
»Wunderbar.« Pilar setzte sich wieder. »Gibt es hier in der Nähe einen guten, viel zu teuren Juwelier?«
»Allerdings. Warum?«
»Wenn du noch Zeit hast, bevor du wieder deine Robe anlegen musst, könntest du mir dabei helfen, etwas Symbolisches und Prächtiges zu kaufen.« Sie hielt ihre linke Hand hoch. »Etwas, bei dessen Anblick René durchdreht.«
Helen nickte zustimmend. »Aber zuerst reden wir.«
7
D er Sonntag legte sich wie Balsam auf ihre Seele. Sie würde nicht stundenlang in Wolle und Flanell gehüllt Weinstöcke beschneiden müssen. Ty würde ihr nicht an den Fersen kleben und darauf lauern, dass sie einen Fehler machte.
Sie konnte in die Stadt fahren, einen Einkaufsbummel machen, Leute treffen. Sie konnte wieder ein wenig spüren, wie es war, ein geselliges Leben zu haben.
Bei diesem Gedanken überlegte Sophia, ob sie eine ihrer Freundinnen anrufen sollte. Dann aber beschloss sie, ihre freie Zeit lieber mit ihrer
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