Im Sturm des Lebens
du dich mit Hunderten von Leuten unterhalten musst, aber Pilar hat mir gesagt, dass Tony und René hierher kommen.«
»Was ist los?«
»Die Scheidung ist durch. Seit gestern. Es war wirklich nach all diesen Jahren nur noch eine Formsache. Da Tony es eilig hatte, und die Dinge nicht noch unnötig mit finanziellen Verhandlungen verkomplizieren wollte, ging es eigentlich nur noch darum, die Papiere zu unterzeichnen.«
»Ich verstehe.« Sophia ergriff ihre Abendtasche und spielte am Verschluss. »Hast du es Mama schon gesagt?«
»Ja. Gerade eben. Es geht ihr gut. Sie hält sich zumindest tapfer. Ich weiß, dass es ihr wichtig ist, dass du das Gleiche tust.«
»Mach dir um mich keine Sorgen, Tante Helen.« Sophia trat auf Helen zu und ergriff ihre Hände. »Du bist wie ein Fels in der Brandung. Ich weiß nicht, was wir ohne dich gemacht hätten.«
»Sie muss weiterleben.«
»Ich weiß.«
»Und du auch.« Helen drückte Sophias Hände. »Gib René nicht die Befriedigung zu sehen, dass es dich in irgendeiner Art trifft.«
»Nein.«
»Gut. Und jetzt muss ich rasch hinunter und meinen Mann suchen. Wenn ich James hier so früh allein lasse, klaut er Canapés und ruiniert die Präsentation des Caterers.« Helen öffnete die Tür und warf noch einmal einen Blick zurück. »Tony hat nicht viel Bewundernswertes in seinem Leben geleistet. Eins davon aber bist du.«
»Danke.« Als Sophia allein war, stieß sie langsam die Luft aus. Dann straffte sie ihre Schultern und trat wieder vor den Spiegel. Sie öffnete ihre Tasche, holte ihren Lippenstift heraus und malte ihre Lippen blutrot an.
David nippte an einem vollmundigen Merlot, mischte sich unter die Menge, die sich in der großen Halle des Weinguts versammelt hatte, und blickte sich nach Pilar um.
Er wusste, dass die Giambellis erscheinen würden. Er war auf den Pomp und das Protokoll der Feiertagsfestlichkeiten gut vorbereitet worden. Man erwartete auch von ihm, dass er sich auf beiden Partys aufhielt, was – obwohl niemand dies ausdrücklich erwähnt hatte – sowohl ein Privileg als auch eine Pflicht war. Er lernte schnell, dass jede Aufgabe in diesem Unternehmen mit beidem zu tun hatte.
David fand daran nichts Schlimmes. Er hatte die Herausforderung bekommen, die er brauchte. Er erhielt ein gutes Gehalt, was er schätzte. Und er arbeitete für ein Unternehmen, das er schätzte. Und das er richtig einschätzte.
Die letzten Wochen hatten ihm bestätigt, dass Giambelli-MacMillan ein geschlossenes, familienorientiertes Schiff war, welches mit Effizienz und wenig Gefühlen gesteuert wurde.
Das Produkt – der Wein – war König und Königin zugleich. Geld wurde zwar gern gesehen und erwartet, aber es war nicht das Eigentliche. Der Wein war das Eigentliche. In den letzten Jahren bei Le Coeur hatte David eher das Gegenteil erfahren.
Er war zufrieden, als er sah, dass sein Sohn sich amüsierte, und dass seine Tochter irgendeinen armen Weinbauern über irgendeine Phase der Produktion ausquetschte. Der Umzug war ihnen allen zum Glück gut bekommen.
»David. Schön, Sie zu sehen.«
Er wandte sich um und blickte überrascht in Jeremy DeMorneys lächelndes Gesicht.
»Jerry, ich wusste gar nicht, dass Sie hier sind.«
»Ich versuche, keines der alljährlichen Giambelli-Feste zu verpassen und werfe immer einen Blick in das Weingut, bevor ich zur Villa gehe. Äußerst demokratisch von La Signora , auch Vertreter der Konkurrenz einzuladen.«
»Sie ist eine große Dame.«
»Einzigartig. Wie gefällt es Ihnen, für sie zu arbeiten?«
»Es ist noch zu früh, um etwas zu sagen. Aber der Umzug ist gut über die Bühne gegangen. Ich bin froh, dass die Kinder nicht mehr in der Stadt leben. Wie läuft es in New York?«
»Es gelingt uns gerade eben, mit euch Schritt zu halten.« Der Unterton wurde durch ein spöttisches Grinsen gemildert. »Tut mir Leid, aber wir sind immer noch ein bisschen angeschlagen. Ich fand es tragisch, Sie zu verlieren, David.«
»Sie werden es überleben. Sonst noch jemand von Le Coeur hier?«
»Duberry ist aus Frankreich eingeflogen. Er
kennt die alte Dame seit hundert Jahren. Pearson repräsentiert die örtliche Filiale. Und dann noch ein paar Topleute von anderen Labels. Sie gibt uns allen die Chance, ihren Wein zu trinken und uns gegenseitig auszuspionieren. Gibt es irgendwelchen neuen Klatsch?«
»Wie ich schon sagte, es ist noch ein bisschen früh dafür.« Davids Tonfall war beiläufig, aber er war misstrauisch geworden. Jerrys
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