Im Sturm des Lebens
wie erholt sie heute Abend aussieht.« David hob Pilars Hand und küsste ihre Finger. »Hinreißend, wirklich. Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Tony, bevor Sie das Land verlassen.«
David legte den Arm um Pilars Taille. »Ich hatte in den letzten Tagen beträchtliche Probleme, Sie zu erreichen.« Er warf René einen geradezu unhöflichen Blick zu. »Aber jetzt verstehe ich den Grund. Teilen Sie meinem Büro bitte Ihre Reisepläne mit, ja? Wir haben geschäftliche Dinge zu besprechen.«
»Meine Leute kennen meine Pläne.«
»Meine aber offenbar nicht. Und nun entschuldigen Sie uns. Wir müssen noch die Runde machen, bevor wir zur Villa gehen.«
»Das war nicht nett«, flüsterte Pilar.
»Na und?«
Verschwunden war Davids Charme. An seine Stelle war kaltes und skrupelloses Machtgebaren getreten. Es steht ihm nicht weniger gut, dachte sie.
»Abgesehen von der Tatsache, dass ich ihn aus Prinzip nicht leiden kann, bin ich Geschäftsführer und muss darüber informiert sein, wenn einer der Abteilungsleiter das Land verlässt. Er führt mich schon seit Tagen an der Nase herum und lässt sich am Telefon verleugnen. Das kann ich nicht ausstehen.«
»Er ist es einfach nicht gewöhnt, dass er Ihnen oder irgendjemandem sonst berichten muss.«
»Dann wird er sich daran gewöhnen müssen.« Über Pilars Kopf hinweg erblickte David Tyler. »Das
müssen andere auch. Ach, ebnen Sie mir doch bitte ein wenig den Weg und stellen mich den Leuten vor, die sich fragen, was zum Teufel ich hier tue.«
Ty versuchte, sich unsichtbar zu machen. Er hasste große Partys. Es gab immer viel zu viele Leute, mit denen er reden musste, und viel zu wenige, denen er wirklich etwas zu sagen hatte. Er hatte sich bereits einen Plan zurechtgelegt. Eine Stunde auf dem Weingut und eine Stunde im Haupthaus. Danach konnte er sich davonschleichen und sich zu Hause ins Bett legen.
Er fand die Musik zu laut, die Räume zu voll und das Essen zu üppig. Ganz unterhaltsam war dagegen, die Leute zu beobachten, die alle elegant und zurechtgemacht waren. Jeder versuchte, den anderen auszustechen.
Tyler kam sich ein bisschen vor wie ein Zuschauer bei einem Theaterstück, und solange er sicher im Publikum stand, hielt er es noch ein Weilchen aus.
Er hatte auch dem kleinen Drama zwischen Pilar und René zugesehen. Tyler mochte Pilar so gern, dass er sicher aus seiner Ecke herausgekommen wäre und ihr beigestanden hätte, wenn nicht David Cutter schon da gewesen wäre. Prinzipiell irritierte Cutter ihn zwar, aber für sein rasches Handeln musste Tyler ihm Pluspunkte geben. Der kleine Handkuss war eine kluge Geste gewesen, und er hatte René und Avano offenbar geärgert.
Und seine Worte hatten blitzschnell dieses idiotische Lächeln von Avanos Gesicht getilgt.
Avano ist ein Arschloch, dachte Tyler und trank einen Schluck Wein. An der Seite von René jedoch, die ihn vorantrieb, konnte er gefährlich werden.
Wenn Cutter ihn in Schach zu halten vermochte, ließ es sich beinahe ertragen, dass er jetzt dazugehörte.
Aber auch nur beinahe.
»Warum stehen Sie hier so allein herum?«
Tyler blickte Maddy stirnrunzelnd an. »Weil ich eigentlich gar nicht hier sein will.«
»Warum sind Sie denn dann hier? Sie sind doch ein Erwachsener und können tun, was Sie wollen.«
»Das ist in der Realität oft leider ganz anders, kleines Mädchen.«
»Es gefällt Ihnen, so zu tun, als wären Sie eklig, was?«
»Nein. Ich bin eklig.«
Sie schürzte die Lippen und nickte. »Okay. Kann ich einen Schluck von Ihrem Wein haben?«
»Nein.«
»In Europa dürfen Kindern manchmal Wein probieren.«
Sie sagte das in ihren schwarzen Klamotten und den hässlichen Schuhen so hoheitsvoll, dass Ty am liebsten gelacht hätte. »Dann geh doch nach Europa. Hier nennt man es Anstiftung zur Sucht.«
»Ich war schon mal in Europa, aber ich kann mich nicht besonders gut daran erinnern. Ich will später noch einmal hin. Vielleicht lebe ich ja mal eine Zeit lang in Paris. Ich habe mit Mr. Delvecchio geredet. Er sagte, Wein sei ein Wunder, aber eigentlich ist es doch nur eine chemische Reaktion, oder nicht?«
»Es ist beides und keins von beidem.«
»Das muss es aber doch sein! Ich will nämlich ein Experiment machen, und ich habe gedacht, Sie könnten mir vielleicht dabei helfen.«
Tyler blinzelte sie an. »Was? Warum redest du nicht mit deinem Vater?«
»Weil Sie der Winzer sind. Ich dachte, ich besorge mir ein paar Trauben, lege sie in eine Schüssel und warte ab, was passiert. In
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