Im Sturm des Lebens
nicht in Bezug auf deinen Vater verwenden, wie auch immer er ist, was auch immer er getan hat. Ich empfinde keinen Hass für Anthony Avano.« Teresa stand wieder auf. »Ich empfinde überhaupt nichts für ihn. Er hat die letzte Entscheidung getroffen, die mich angeht. Wir werden ein letztes Mal miteinander umgehen, dann ist er für mich gestorben.«
»Du meinst, du willst ihn vor die Tür setzen?«
»Er hat seine Wahl getroffen«, erwiderte Teresa. »Und jetzt muss er die Konsequenzen tragen. Du brauchst dir darüber keine Gedanken zu machen.«
Sie streckte die Hand aus. »Komm, du solltest auf der Party sein. Wir suchen deine Mutter und zeigen den Gästen drei Generationen Frauen der Giambellis.«
Es war schon sehr spät, als Tony die Wohnungstür aufschloss. Er fragte sich, ob wohl irgendjemand nach der langen Zeit noch wusste, dass er einen Schlüssel hatte.
Er hatte sich eine Flasche Wein aus seinem persönlichen Keller mitgebracht. Der Barolo würde dem Geschehen einen Rahmen geben. Geschäftliche Besprechungen – das Wort »Erpressung« kam ihm dabei gar nicht in den Sinn – sollten immer auf zivilisierte Art und Weise vonstatten gehen.
In der Küche entkorkte er die Flasche, ließ den Wein auf der Theke stehen, damit er atmen konnte, und holte zwei Gläser aus dem Schrank. Tony war zwar enttäuscht, dass er kein frisches Obst im Kühlschrank fand, begnügte sich aber mit dem Rad Brie.
Auch um drei Uhr morgens war der Auftritt wichtig.
Glücklicherweise hatte er den Termin auf diese Uhrzeit gelegt. Es hatte einige Zeit gedauert, René wieder zu beruhigen. Über eine Stunde lang hatte sie ihm nach ihrer Rückkehr Vorträge gehalten, über die Giambellis, wie sie sie behandelten, über seine Zukunft im Unternehmen. Und über Geld.
Geld war natürlich das Hauptthema gewesen.
Er konnte ihr kaum einen Vorwurf daraus machen.
Ihr Lebensstil erforderte eine Menge Geld. René verfügte nicht wie Pilar über unbegrenzte Mittel. Und René ging auch nicht wie Pilar mit Geld um –
so, als würde es demnächst unmodern werden, welches in der Tasche zu haben.
Kein Thema, dachte Tony und legte Cracker zu dem Käse. Die finanziellen Mittel zu erhöhen, würde eine einfache und zivilisierte Angelegenheit sein.
Die Giambellis beabsichtigten, ihn hinauszuwerfen, da war er sich jetzt ganz sicher. Weder Pilar noch Sophia würden für ihn einstehen. Er hatte gewusst, dass die Möglichkeit bestand, hatte aber beschlossen, sie einfach zu ignorieren und auf das Beste zu hoffen. Oder vielmehr, gestand er sich jetzt ein, hatte er zugelassen, dass René ihn in die Ecke drängte.
Aber er hatte noch andere Optionen. Jede Menge Optionen. Und die erste würde in ein paar Minuten vorbeikommen.
Das erste Geschäft würde ein Notbehelf sein, aber es verschaffte ihm Zeit. Es gab noch andere Auswege, und die konnten bei Bedarf erweitert werden. Tony hatte Kontakte – und Zukunftsaussichten.
Teresa Giambelli würde es noch sehr bedauern, dass sie ihn unterschätzt hatte. Sehr viele Leute würden das bedauern.
Er würde wie immer auf den Füßen landen, daran zweifelte er keine Sekunde.
Er lächelte, als es an der Tür klopfte, schenkte zwei Gläser Wein ein und stellte sie und die Flasche zusammen mit dem Käse und den Crackern auf ein Tablett. Das Tablett trug er zum Couchtisch im Wohnzimmer.
Dann richtete er seine Manschettenknöpfe, fuhr sich glättend durch die Haare, und dergestalt auf seine Verhandlungen vorbereitet, trat er zur Tür.
TEIL ZWEI
Das Wachsen
Nicht haben und halten, sondern wachsen und werden
ist Perfektion, wie Kultur sie versteht.
MATTHEW ARNOLD
9
»I ch verstehe nicht, warum wir noch einmal hierher kommen mussten.«
»Weil ich noch ein paar Sachen brauche.« Ich hätte es auch lassen können, gestand Sophia sich ein. Aber warum sollte sie nicht bei ihrer Wohnung vorbeifahren, wenn sie schon einmal in San Francisco war? Hatte sie zudem nicht Mitleid mit Ty gehabt und war mit Elis Allrad-Jeep gefahren statt mit ihrem Cabrio?
»Sieh mal«, fuhr sie fort, »ich habe dir doch erklärt, dass ich zu Beginn öfter im Büro vorbeischauen muss. Kris wird sich weiterhin gegen die neue Hierarchie auflehnen. Sie muss uns beide zusammen als Team sehen.«
»Schönes Team.«
»Ich tue mein Bestes.« Sie fuhr auf ihren Parkplatz und zog die Handbremse an. »Ich finde, wir sollten einen Waffenstillstand schließen. Im Moment habe ich einfach keine Zeit, um mit dir zu kämpfen, Ty.«
Sie stieg aus, schlug
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