Im Sturm des Lebens
ich nichts unternommen. Wenn ich anders gehandelt hätte ... ich weiß nicht, ob das etwas geändert hätte. Die Vorstellung tut weh.«
Claremont erhob sich. »Wir danken Ihnen für Ihre Mitarbeit, Mrs. Avano. Wir möchten jetzt gern mit den anderen Familienmitgliedern sprechen, auch mit Mr. Cutter und allen Angestellten, die auf der Party waren.«
Vor allem wollte er noch einmal mit Sophia sprechen. Er befragte sie allein, während seine Partnerin mit David Cutter sprach. »Sie haben gar nicht erwähnt, dass Sie und Ihr Vater in der Nacht, als er ermordet wurde, einen heftigen Streit hatten.«
»Nein, das habe ich nicht erwähnt, weil Sie nicht danach gefragt haben. Aber jetzt gebe ich Ihnen gern Auskunft darüber. Bei einem Streit geht es darum, dass zwei Menschen unterschiedliche Standpunkte vertreten. Unter diesem Aspekt hatten wir keinen Streit.«
»Wie würden Sie es dann nennen?«
»Harte Worte. Harte Worte, die schon seit langem fällig waren. Es ist schwer für mich, Detective, dass es die letzten Worte waren, die ich je zu ihm gesagt habe. Sie entsprachen zwar der Wahrheit, und ich habe jedes einzelne ernst gemeint, aber es ist trotzdem schwer. Ich war wütend. Er hatte, kaum von meiner Mutter geschieden, wieder geheiratet. Er hatte
sich nicht die Mühe gemacht, mir davon zu erzählen, er hatte noch nicht einmal meine Mutter davon in Kenntnis gesetzt, und er kam zu dem Familienfest einfach mit seiner neuen Frau am Arm. Das war gedankenlos und unsensibel und sah ihm ähnlich. Und das habe ich ihm gesagt.«
»Mir wurde berichtet, Sie hätten ihn bedroht.«
»Ach ja? Kann sein. Ich war wütend, verletzt, beleidigt. René hatte meine Mutter angegriffen – mit Worten. Sie hatte gar keinen Grund dazu, schließlich hat sie doch bekommen, was sie wollte. Und er ließ es einfach zu. Mein Vater war schon immer großartig darin, alles einfach geschehen zu lassen und scheinbar gar nicht zu bemerken, welcher Schaden angerichtet wurde.«
Die Neuigkeiten verbreiteten sich rasch im ganzen Land und auch über den Atlantik. Donato saß im Büro im Erdgeschoss seines Hauses, trank Cognac und dachte nach. Im Haus war es endlich ruhig, obwohl das Baby sicher bald wieder nach der Brust verlangen würde.
Gina schlief, und wenn sie nicht bald schon wieder das Kind würde stillen müssen, hätte er heimlich hinausschlüpfen und eine entspannende Stunde mit seiner Geliebten verbringen können. Aber das riskierte er besser nicht.
Tony Avano war tot.
Das für den nächsten Tag angesetzte Treffen mit Margaret Bowers würde verschoben werden. Das verschaffte ihm Zeit. Er hätte lieber seine geschäftlichen Transaktionen mit Tony fortgeführt. Bei Tony Avano hatte er immer gewusst, wo er stand.
Doch jetzt war Tony tot, und es würde einen großen
Aufruhr geben, Gerede, Klatsch, Verzögerungen und Heimlichkeiten. Das konnte er zu seinem Vorteil nutzen.
Er musste natürlich wieder nach Kalifornien fliegen. Er würde seiner Kusine seine Unterstützung und sein Mitgefühl anbieten müssen. Und La Signora versichern, dass er alles Erforderliche tun würde, um Giambellis Produktion fortzuführen.
Da es nur noch zwei Tage bis Weihnachten waren, wollte er Gina dazu überreden, zu Hause zu bleiben. Ja, das war gut. So konnte er seine hübsche Geliebte mitnehmen. Niemand würde es merken.
Und es ließ ihm genug Zeit, um festzustellen, was getan werden musste, und wie er es tun musste.
Armer Tony, dachte er und hob seinen Cognacschwenker. Ruhe in Frieden.
Jeremy DeMorney drehte den Ton der Abendnachrichten leiser und zog sein Dinnerjackett aus. Er war froh, dass er heute einmal früh nach Hause gekommen war. Es war besser, allein zu Hause zu sein, wenn er die Nachrichten hörte, als irgendwo in der Öffentlichkeit.
Tony Avano, der wertlose Bastard, war tot. Irgendwie fast schade. Im momentanen Klima war Avano reif zum Pflücken gewesen. Und Jerry hatte ziemlich lange darauf gewartet.
Er hinterlässt eine traurige Ex-Frau, dachte er, eine fröhliche Witwe und eine trauernde Tochter. Mehr, als er verdient hatte.
Während er sich auszog, überlegte Jerry, ob er nach Kalifornien fliegen und am Gedächtnisgottesdienst teilnehmen sollte. Aber dann verwarf er die Idee wieder.
Es war immerhin bekannt, dass der verstorbene, unbeweinte Avano mit Jeremys Frau geschlafen hatte.
Oh, sie waren damit natürlich umgegangen wie zivilisierte Menschen, wenn man einmal von der gespaltenen Lippe absah, die Jerry seiner untreuen Frau als
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