Im Sturm des Lebens
Abschiedsgeschenk mitgegeben hatte. Scheidung, finanzielle Einigung und tadellose Manieren in der Öffentlichkeit.
Nun, dachte Jerry, den Schein wahren konnten sie alle gut.
Er hatte der Familie einen Beileidsbrief geschrieben. Aber im Moment war es sicher am besten, Distanz zu halten. Er würde die notwendigen Schritte tun, wenn er dazu bereit war.
Jetzt aber wollte er seinen eigenen kleinen Leichenschmaus begehen. Er würde eine Flasche Champagner aufmachen und den Mord feiern.
Sophia gelang es fast eine ganze Woche lang, den Mord ihres Vaters wie eine geschäftliche Angelegenheit zu behandeln. Sie hielt ihre Emotionen zurück, machte Anrufe, traf Arrangements, stellte Fragen, beantwortete sie und wachte wie ein Falke über ihre Mutter.
Von der Polizei bekam sie immer nur dieselbe Auskunft. Die Ermittlungen waren im Gange, und alle Spuren wurden verfolgt. Sie behandelten sie, als sei sie eine Reporterin. Oder eine Verdächtige.
René ging nicht ans Telefon, und Sophia war es leid, Dutzende von Nachrichten auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen. Mitfühlende Nachrichten, besorgte Nachrichten, höfliche, wütende, verbitterte Nachrichten.
Es würde einen Trauergottesdienst für ihren Vater geben. Mit oder ohne die Kooperation und Beteiligung seiner Witwe.
Sophia erzählte ihrer Mutter, dass sie ins Büro fahren müsse, und machte sich für die Abfahrt fertig.
Als sie aus dem Haus trat, fuhr gerade Tyler vor.
»Wohin fährst du?«
»Ich muss geschäftlich weg.«
»Wohin?«
Sie versuchte, an ihm vorbei zur Garage zu kommen, aber er versperrte ihr den Weg. »Hör mal, ich bin in Eile. Geh Weinstöcke schneiden.«
»Wohin willst du?«
Beinahe hätte sie die Nerven verloren, aber das konnte sie nicht zulassen. »Ich muss in die Stadt. Ich habe etwas zu erledigen.«
»Gut. Wir nehmen meinen Wagen.«
»Ich brauche dich heute nicht.«
»Teamwork, weißt du noch?« Tyler sorgte sich um ihren Zustand und er wollte sie nicht fahren lassen.
»Ich kann das allein, MacMillan.« Warum, zum Teufel, hatte sie nicht gesagt, sie würde einkaufen gehen?
»Ja, du kannst alles allein.« Er legte ihr die Hand auf den Arm und öffnete die Tür auf der Beifahrerseite. »Steig ein.«
»Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass ich lieber allein sein möchte?«
»Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass mir das egal ist?« Um das Problem zu lösen, hob er sie einfach hoch und setzte sie ins Auto. »Schnall dich an«, befahl er und schlug die Tür zu.
Sie zog kurz in Erwägung, hinauszuspringen und mit den Fäusten auf ihn loszugehen. Aber sie hatte Angst, dass sie dann nie wieder aufhören würde. In ihr war eine solche Wut, eine so große, brennende Trauer ... Und sie rief sich ins Gedächtnis, dass er ja schließlich in ihren schlimmsten Momenten auch für sie da gewesen war.
Tyler glitt hinter das Lenkrad. Vielleicht lag es daran, dass er sie fast schon sein halbes Leben lang kannte. Vielleicht auch daran, dass er ihr in den letzten Monaten mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte als in den gesamten zwanzig Jahren zuvor. Jedenfalls kannte er dieses Gesicht nur zu gut. Und der beherrschte Gesichtsausdruck war nur Maske.
»Also.« Er ließ den Wagen an und blickte Sophia an. »Wohin willst du wirklich?«
»Zur Polizei. Sie sagen mir am Telefon nichts.«
»Okay.« Er legte den ersten Gang ein und fuhr die Auffahrt hinunter.
»Ich brauche keinen Wachhund, Ty, und auch keine breite Schulter zum Anlehnen.«
»In Ordnung.« Er fuhr einfach weiter. »Nur zur Erinnerung, du kannst mich auch als Punchingball benutzen!«
Statt einer Antwort verschränkte sie die Arme und blickte starr nach vorn. Über den schneebedeckten Bergen lag Dunst, und sie sahen aus wie ein Foto mit Weichzeichner. Der atemberaubende Anblick munterte Sophia jedoch nicht auf. Vor ihrem geistigen Auge sah sie nur die herausgerissene Seite aus einem Wirtschaftsmagazin, die sie am Tag zuvor mit der Post bekommen hatte.
Die Aufnahme von ihr, ihrer Großmutter und ihrer Mutter war beschmiert worden wie die drei
Giambelli-Engel. Statt Nagellack war es dieses Mal blutrote Tinte gewesen, und dieses Mal waren sie als Mörderschlampen beschimpft worden.
War das die Reaktion auf ihre wiederholten Anrufe bei René? Dachte die Frau, solch eine kindische Drohung würde ihr Angst einjagen? Sie wollte sich nicht einschüchtern lassen. Und während sie das Papier im Kamin verbrannte, hatte Sophia Abscheu und Wut empfunden, aber keine Angst.
Aber auch am
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